GP Türkei: Die Gesichter der Startaufstellung

Mark Webber fährt weiterhin in der Form seines Lebens: Nach zwei Pole-Positions und zwei Siegen in Barcelona und Monte Carlo setzte der Red-Bull-Pilot auch heute in Istanbul seinen Erfolgsrun fort und sicherte sich den ersten Startplatz für den Grand Prix der Türkei. Drei Pole-Positions hintereinander hat zuletzt Felipe Massa im Jahr 2007 (Sepang, Manama und Barcelona) geschafft.

Dabei hatte das Wochenende für Webber alles andere als gut begonnen, denn gestern erlitt er einen Motorschaden und heute Morgen versemmelte er gleich dreimal eine schnelle Runde auf weichen Reifen. Doch im entscheidenden Moment packte der Routinier sein unerschütterliches Selbstvertrauen aus und steigerte sich im Top-10-Finale von 1:26.510 auf 1:26.295 Minuten. Dabei hatte er das Feld schon nach dem ersten Run angeführt.

Webber steckt Probleme weg

"Es war kein reibungsloses Wochenende, aber es waren auch keine massiven Probleme", bilanziert Webber glücklich. "Einen Motorschaden wie gestern habe ich lieber im Freien Training und heute Morgen war es auch nicht tragisch. Ich wusste jedoch immer, dass ich es drauf habe. Kurve acht habe ich dann sehr gut erwischt, sodass ich nun auf der richtigen Position stehe und eine sehr gute Chance habe, morgen zu gewinnen."

Die ersten drei Startreihen blieben nach dem ersten von zwei Runs im Top-10-Finale unverändert, weil Michael Schumacher (Mercedes) mit einem Dreher in Kurve acht für gelbe Flaggen sorgte. Ausserdem musste Sebastian Vettel (Red Bull) seine finale Attacke wegen eines gebrochenen Stabilisators abbrechen, sodass er sich nicht mehr steigern und mit dem dritten Platz Vorlieb nehmen musste, 0,327 Sekunden hinter Lewis Hamilton (McLaren).

"Irgendwas hat nicht gestimmt", vermutet Teamchef Christian Horner. "Er war bis dahin schnell unterwegs, aber im letzten Run fühlte er sich im Auto nicht mehr wohl." Vettel bestätigt: "Ich hatte Probleme mit blockierenden Rädern, sonst hätte ich locker um einiges schneller sein können. Besonders das kurveninnere Rad wollte nicht so, wie ich wollte. Schade, denn ich war das ganze Wochenende schon sehr gut drauf, besonders heute."

Kurve acht ist Red-Bull-Terrain

Red Bull führte die Entscheidung eindeutig im Mittelsektor mit der aerodynamisch anspruchsvollen Kurve acht herbei, in der Webber und Vettel um vier Zehntelsekunden (!) schneller waren als alle anderen. Dafür hatte McLaren dank F-Schacht-System den um sechs km/h besseren Topspeed. Hamilton und Jenson Button stehen als Zweiter und Vierter zwar auf der ungünstigeren Seite des Grids, aber mit einem guten Start ist einiges möglich.

"Gestern war ich mit der Balance nicht zufrieden, aber heute hatte ich ein besseres Gefühl, auch hinsichtlich der Reifen. Ich habe in allen drei Sektoren persönliche Bestzeit geschafft. Mehr kannst du nicht erwarten", so Hamilton, für den es "ein super Gefühl" ist, die Red Bulls aufgesplittet zu haben: "Das zeigt uns, dass wir den Grundspeed haben, um mit ihnen mitzuhalten. Im Rennen sind wir vielleicht noch besser."

Schumacher besiegt Rosberg erneut

Schumacher wurde trotz seines Abflugs in Kurve acht Fünfter und gewann damit zum zweiten Mal das Stallduell gegen Nico Rosberg, der morgen in der silbernen dritten Startreihe neben ihm stehen wird. Wahrscheinlich hätten sich beide Mercedes-Piloten noch steigern können, doch Schumacher fühlte sich nach keinem idealen ersten Sektor zu langsam, riskierte alles und kam von der Strecke ab. Zuvor dürfte ihn jemand leicht aufgehalten haben.

"Es war ein bisschen mehr drin, denn bis zum dritten Platz fehlt nur eine Zehntel", trauert Mercedes-Sportchef Norbert Haug der zweiten Startreihe nach. "Das war möglich, auch wenn wir insgesamt ungefähr eine halbe Sekunde hinter der Spitze liegen." Warum Rosberg im Finish nicht zulegen konnte, ist unklar: "Wir hatten gehofft, im letzten Run ein bisschen Zeit zu finden, aber das gelang uns nicht. Jetzt müssen wir das analysieren", rätselt Teamchef Ross Brawn.

Zumindest erging es Mercedes besser als Ferrari, denn die Italiener mussten Fernando Alonso schon in der zweiten Session abschreiben. Der WM-Dritte lag zunächst an elfter Position, stand dann unter Druck, leistete sich einen Fahrfehler und wurde zum Schluss das Opfer von gelben Flaggen. "Das entspricht nicht unseren Erwartungen", ärgert sich Teamchef Stefano Domenicali. "Wir hatten mehr erwartet und müssen nun analysieren, woran dieses Abschneiden lag."

Alonso glaubt nicht an eigenen Fehler

Denn auch Felipe Massa, in Istanbul dreifacher Grand-Prix-Sieger, kam mit fast acht Zehntelsekunden Rückstand nicht über Platz acht hinaus. Doch Alonso war nach Rang zwölf am sauersten: "Ich habe attackiert, aber ich war langsamer als auf meiner schnellsten Runde. Ich wusste, dass es nicht gereicht hat. Ich glaube nicht, dass mir mein Fehler den Platz in Q3 gekostet hat. Ich bin dreimal fast die gleiche Zeit gefahren. Die Pace war einfach nicht da."

Eine Überraschung des Nachmittags war Kamui Kobayashi, der sich im Sauber-Duell gegen Pedro de la Rosa (13.) souverän durchsetzte und als Zehnter in die dritte Session aufstieg.
Für Vitaly Petrov (Renault/9.), den Istanbul-GP2-Sieger des Vorjahres, war Q3 sogar eine Premiere, letztendlich musste sich der Russe aber seinem Teamkollegen Robert Kubica (7.) geschlagen geben. Adrian Sutil (Force India) verpasste den Finalcut um 0,087 Sekunden gegen Schumacher.

Liuzzi als erster "Etablierter" ausgeschieden

Sauer ist wahrscheinlich auch Nico Hülkenberg, der bei Williams das ganze Wochenende und auch in Q1 der schnellere Mann war, im entscheidenden Moment aber wieder das Nachsehen gegen Rubens Barrichello (15.) hatte und 17. wurde. Williams lieferte sich also mit Toro Rosso ein Match um die "rote Laterne" unter den etablierten Teams, obwohl es Sutils Force-India-Teamkollegen Vitantonio Liuzzi sogar schon in den ersten 20 Minuten erwischt hatte.

Im "kleinen Qualifying" der drei neuen Teams war wieder einmal Lotus eine Klasse für sich, Timo Glock konnte den Zeitrückstand aber auf eine halbe Sekunde verkürzen. Schnellster war einmal mehr Jarno Trulli vor Heikki Kovalainen. Auf die Spitze büsste Trulli gut drei Sekunden ein - ein anständiger Wert. Bruno Senna (HRT) gelang es sogar, Lucas di Grassi im zweiten Virgin und seinen Teamkollegen Karun Chandhok hinter sich zu lassen.

Für das morgige Rennen gibt es mit WM-Leader Webber einen klaren Favoriten, auch wenn die Pole-Position auf dieser Strecke im Gegensatz zu Monte Carlo noch nicht die halbe Miete zum Sieg ist. Ausserdem ist nicht Vettel sein einziger Gegner, sondern auch McLaren gibt sich kampfeslustig: "Im Renntrimm sind wir besser. Wenn wir unsere Chance bekommen, werden wir sie nutzen", kündigt McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh an.

29.5.2010