FIA-PK: Vettels WM-Gewinn im Vordergrund

Das PK-Sextett aus Suzuka um Jenson Button (li.) ,

Kamui Kobayashi (mitte) und Sebastian Vettel (rechts)

Wenige Stunden vor dem Trainingsauftakt in Suzuka lud der Automobil-Weltverband (FIA) zur üblichen Gesprächsrunde am Donnerstag. Mit dabei waren dieses Mal neben den beiden WM-Rivalen Sebastian Vettel (Red Bull) und Jenson Button (McLaren) noch Jerome D'Ambrosio (Marussia-Virgin), Paul di Resta (Force India), Heikki Kovalainen (Lotus) sowie der japanische Lokalmatador Kamui Kobayashi (Sauber). Die bevorstehende Entscheidung im Titelkampf dominierte das Geschehen...

Frage: Jerome, Suzuka ist eine sehr fordernde Strecke, aber immerhin hast du bereits einige einschlägige Erfahrungen gemacht...


Jerome D'Ambrosio: Ja, allerdings. Es ist eine sehr fordernde Strecke. Für mich ist es wohl so toll wie Spa - und ich als Belgier stelle diesen Vergleich an. In meinen Augen ist Suzuka sogar noch einen Tick besser als Spa-Francorchamps. Es ist einfach aussergewöhnlich, hier zu fahren. Ich genoss es im vergangenen Jahr, als ich im Freien Training etwa 15 Runden zurücklegte. Es dürfte ziemlich gut werden. Ich kann es kaum erwarten, endlich ins Auto zu steigen.

Wie ist es um deine Zukunft im Team bestellt? Wo steht ihr im Hinblick auf die Gespräche für 2012?

D'Ambrosio: Nun, im Augenblick ist der Stand der Dinge noch so, wie in Spa. Natürlich sprechen wir und mein Management unterhält sich mit dem Team. Gesprächsgegenstand ist meine Zukunft und das kommende Jahr in der Formel 1. Mein Job ist nun aber, mich auf die aktuelle Saison zu konzentrieren. Es stehen noch immer fünf Rennen aus. In Singapur hatte ich den meiner Meinung nach bisher besten Grand Prix. In den Rennen muss ich mich ohnehin auf das Hier und Jetzt beschränken und nicht darauf, was 2012 passieren könnte. Ich beschäftige mich einfach weiterhin intensiv damit, am Auto zu arbeiten. Mein Management soll den Rest erledigen.

Singapur stimmte dich aber trotzdem sehr zufrieden?

D'Ambrosio: Allerdings, sehr.

Paul, du sitzt gewissermassen im selben Boot, warst hier aber noch nie unterwegs, oder?

Paul di Resta: Nein. Ich bin erstmals hier vor Ort und lerne die Strecke kennen. Es sieht sehr interessant aus. Ich ging am Morgen um den Kurs. Es scheint sehr eng, aber ungeheuer schnell zu sein. Im Simulator tat ich mein Möglichstes, um mich darauf vorzubereiten. Das Wichtigste ist, dass das Wetter hoffentlich stabil bleibt, damit wir während des Wochenendes gute Fortschritte machen können.

In den vergangenen Rennen konntest du einige sehr gute Leistungen zeigen. Glaubst du, du kannst daran anknüpfen?


Di Resta: Ja. Ich sehe nicht, warum es nicht so sein sollte. Die vergangenen vier Rennen waren gewiss sehr gut für uns als Team. In Singapur waren wir in meinen Augen definitiv auf Tempo und fuhren prompt auch das Ergebnis ein. Hier in Suzuka geht es für uns darum, das Gleiche erneut zu tun. Wir haben ein kleines Update dabei. Hoffentlich können wir damit fortfahren und einfach unsere aktuelle Position beibehalten. Wir wollen es mit Renault aufnehmen, denn sie liegen nun in unserer Reichweite, was die Konstrukteurswertung anbelangt.

Suzuka ist eine sehr technische Strecke. Erschwert es deine Aufgabe, dass du diesen Kurs noch nicht kennst?

Di Resta: Es macht es sicherlich nicht einfacher. So war es in diesem Jahr aber schon auf vielen Strecken. Ich denke, ich hatte bisher nur in Spa einige Rennen bestritten, ehe wir dort einen Grand Prix fuhren. Ich gehe es einfach Schritt für Schritt an. Ich sitze in beiden Sessions im Auto, was am Freitag von grosser Wichtigkeit sein wird. Ich versuche, mich einfach an Adrian (Sutil) zu halten. Er war in der Vergangenheit sehr oft in Suzuka am Start, schliesslich fuhr er ein Jahr in der japanischen Formel 3.

Demnach wird er dir beim Setup helfen?

Di Resta: Ja. Er hinterliess hier in der Vergangenheit stets einen starken Eindruck. Es kommt also darauf an, hoffentlich möglichst rasch ein gutes Gefühl für den Kurs zu entwickeln - schneller als üblich.

Heikki, Suzuka ist eine weitere gute Strecke für dich. Hier erzieltest du schon gute Ergebnisse in Qualifikation und Rennen. In Singapur gab es ebenfalls ein ordentliches Ergebnis. Was rechnest du dir für Japan aus?

Heikki Kovalainen: Hoffentlich können wir erneut ein solides Rennen abliefern. Wir verteidigen den zehnten Platz in der Gesamtwertung. Das ist sehr wichtig für das Team und unser Primärziel. Ich selbst möchte versuchen, vor den anderen neuen Fahrzeugen zu liegen, wenn man so will. Diese Saison verlief bislang sehr positiv für mich. Diesen Trend möchte ich fortsetzen.

Ist dies das Wichtigste oder geht es für dich vielmehr darum, die arrivierten Teams zu ärgern, so wie dir das in Singapur gelang?

Kovalainen: Nun, letztendlich ist es das Wichtigste, Sebastian Vettel zu schlagen. Man muss aber natürlich realistisch sein. In meinen Augen ist der Abstand zu den Autos vor uns auf den meisten Kursen noch immer zu gross. Wir müssen also daran arbeiten, unser Fahrzeug schneller zu machen. Im Augenblick können wir nur darauf hoffen, vor unseren direkten Konkurrenten zu landen und Platz zehn in der Gesamtwertung zu behalten. Das ist unsere realistische Hoffnung. Ausgehend davon schauen wir nach vorne. Singapur war ein ungewöhnliches Rennen und die Umstände spielten uns in die Karten. So waren wir dazu in der Lage, einen Renault zu schlagen. Es könnte an diesem Wochenende erneut passieren. Warum auch nicht? Es ist aber möglicherweise nicht realistisch.

Gelingen euch nach wie vor technische Fortschritte am Auto?

Kovalainen: Ich denke, das Update, das wir in Singapur dabei hatten, funktionierte. Es war erfolgreich, also konnten wir die Lücke ein bisschen schliessen. Wenigstens verloren wir nichts auf die anderen Teams. Das ist schon einmal ermutigend. Wir arbeiten schon am Fahrzeug für 2012, um dessen Gesamtleistung zu verbessern. Das ist ein fortdauernder Prozess. Wir arbeiten konzentriert daran.

Jenson, am Mittwoch gab es gute Nachrichten für dich, denn du hast einen neuen, mehrjährigen Vertrag erhalten. Kannst du näher ins Detail gehen?

Jenson Button: Ja, man will immer mehr. Und nein, ich kann nicht mehr dazu sagen. Nur so viel: Ich bin sehr zufrieden. Ich denke, es ist eine grossartige Möglichkeit, über die kommenden Jahre sehr eng mit McLaren zusammenzuarbeiten. Wir stehen kurz davor, mit Red Bull zu kämpfen. Noch ist es aber nicht ganz so weit. Ich halte es für gut, in den kommenden Jahren eine Kontinuität zu haben. Das wird uns dabei helfen, es in der neuen Saison mit ihnen aufzunehmen, hoffe ich. Darauf arbeiten wir hin. Es waren einige interessante Wochen. Ich mochte es sehr, die Rennen zu bestreiten. Es war schön, letztendlich auf der gepunkteten Linie zu unterschreiben und den Deal für die Zukunft unter Dach und Fach zu kriegen.

Man konnte den Eindruck kriegen, dass da noch ein bis zwei andere Teams in Frage gekommen wären...

Button: Ich denke, all dies ist Spekulation.

Zu Beginn der Woche warst du ein bisschen einkaufen. Legtest du dir im Motorrad-Shop um die Ecke etwa etwas Neues zu?

Button: Nein, ich schaute mir lediglich einige Bikes an. Es ging aber nicht um mich, sondern um jemand anderes. Habt ihr mich etwa verfolgt?

Ein Kollege und ich unterhielten uns über dich und prompt sahen wir dich...

Button: Ich tue halt noch andere Dinge als Formel-1-Autos zu fahren...

Deine Bilanz in Suzuka ist ziemlich beeindruckend. Du warst bei sämtlichen deiner bisher elf Grands Prix von Japan im Ziel. Dieser Kurs scheint dir also zu liegen. Würdest du hier nicht gerne einmal gewinnen?

Button: Ja, das wäre echt klasse. Es ist eine Strecke wie Spa und Monaco, die uns sehr viel bedeutet. Es ist eine grosse Herausforderung, in der Qualifikation eine schnelle Runde in Suzuka hinzuknallen. Die einzelnen Umläufe zusammenzufügen, ist eine schwierige Aufgabe - und dabei noch schneller zu sein als alle anderen. Ja, es würde mir sehr viel bedeuten, hier in Suzuka zu siegen. Das ist an diesem Wochenende unser Ziel. Ob wir schnell genug dafür sind, wird sich zeigen. Wir sind auf jeden Fall auf der Jagd und ich freue mich auf ein interessantes Wochenende. Hoffentlich können wir ganz vorne mitmischen.

Hattest du in den vergangenen Grands Prix den Eindruck, phasenweise das schnellere Auto zu haben? Denkst du, dass es abhängig von der Wochenend-Phase nach wie vor so sein könnte? Ist das abhängig von den Verbesserungen bei Red Bull?

Button: Ja, hin und wieder waren wir auf Augenhöhe mit Red Bull unterwegs. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass wir über ein bisschen mehr Leistung verfügten. Es ist uns meiner Meinung nach aber nicht immer gelungen, das Beste aus unseren Möglichkeiten zu machen. Im jüngsten Rennen waren wir nicht schnell genug für den Sieg. Sebastian und Red Bull leisteten klasse Arbeit. Selbst wenn du nur ein paar Sekunden hinter ihnen liegst, bedeutet das nicht, dass du eine Siegchance hast. Hier ist es etwa wie in Spa. Wir fahren hier vielleicht mit etwas mehr Abtrieb als dort, doch insgesamt handelt es sich um einen flüssigen Kurs mit mittlerer bis hoher Geschwindigkeit. Unser Auto funktionierte prima in Spa. Hoffentlich wird das hier nicht anders sein. Auf dieser Strecke ist Überholen meist nicht einfach, doch mit den Hilfsmitteln, die uns zur Verfügung stehen - die Pirelli-Reifen, KERS und der verstellbare Heckflügel - sollten wir doch recht guten Motorsport sehen.

Kamui, es ist ein grosses Wochenende für dich. Wie ist es vor dem Trainingsauftakt um deine Gefühlslage bestellt?



Kamui Kobayashi: Es ist immer schön, nach Japan zurückzukehren. Ich bin ein Japaner und es warten immer schon so viele Fans. Ich bin sehr stolz auf Suzuka, denn es ist einer der wirklich großen Rennkurse. Es macht hier immer sehr viel Spass, zu fahren. Die Rennen sind stets grossartig und man muss den Fans danken, dass sie alljährlich auf die Formel 1 warten.

Erstmals warst du im Alter von 17 Jahren in Suzuka unterwegs...

Kobayashi: Ja, ich war 17. Ich fuhr hier nur ein Rennen und ging dann nach Europa. Ich bin zwar ein Japaner, aber viele andere kennen die Strecke besser als ich.

An diesem Wochenende verfügt dein Auto über einige Updates. Bist du erleichtert, dass es trocken bleiben soll?

Kobayashi: Ja, es ist ein ordentliches Update. Für uns wird es der letzte Schritt sein. Wir hatten ein paar kleinere Verbesserungen, doch hierbei handelt es sich um den besten Fortschritt in diesem Jahr. Auf dieser Strecke ist speziell die Aerodynamik gefragt, also dürften wir gute Ergebnisse sehen, wenn es funktioniert. Darauf haben wir es abgesehen.

Deine Konkurrenten werden dich im Auge behalten. Macht es das einfacher oder schwieriger für dich?

Kobayashi: Nun, einfacher, hoffe ich. Wenn das Auto gut ist, ist es immer einfacher. Suzuka ist aber eine recht harte Strecke. Wenn du nur eine Runde hast, um alles auf die Reihe zu kriegen, dann ist das sehr knifflig. Schon ein kleiner Fehler kann hier bedeuten, dass du viel Zeit liegen lässt. Es ist keine einfache Bahn, doch wenn das Fahrzeug gut funktioniert, ist es nicht gar so schwierig.

Sebastian, jetzt haben wir dich lange warten lassen. In gewisser Weise spannst du dich aber selbst auf die Folter. Wie war es für dich, vor ein paar Tagen bis auf einen Punkt an den Titel heranzufahren?

Sebastian Vettel: Nun, das ist für die breite Mehrheit das grosse Thema. Für sie ist die Sache schon gelaufen. Es ist halt noch ein Punkt und das betonte ich schon nach dem Rennen. Ich sage es jetzt erneut, auch wenn die Leute etwas anderes hören wollen. Obwohl es nur noch ein Punkt ist, müssen wir sicherstellen, eben diesen auch zu holen. Wenn mir jemand einen Gefallen tun will, kann er Jenson später die Treppe hinunterschubsen. Das wäre eine Hilfe (lacht). Das ist aber nicht, wie wir uns mit dieser Situation auseinandersetzen sollten. Wir befinden uns in einer guten Position. Ich freue mich schon auf das Rennen. Mehr noch, weil es eine besondere und sehr fordernde Strecke ist. Du musst nur einen Blick auf den ersten Sektor werfen. Sehr viel besser kann es einfach nicht kommen. Es ist klasse, hier zu sein. In den vergangenen Jahren lief es für uns stets aussergewöhnlich gut in Suzuka. Wir werden versuchen, etwas Ähnliches zu veranstalten. Hoffentlich haben wir ein gutes Wochenende.

In den vergangenen beiden Jahren fuhrst du hier von der Pole-Position zum Sieg. Wird es in dieser Saison anders sein? In Suzuka siegten in den vergangenen zehn Jahren etwa 75 Prozent der Fahrer von der Pole-Position aus...

Vettel: Ja, das sagen die Statistiken. In diesem Jahr war es auch manchen Strecken aber anders als in der Vergangenheit. Ich denke, hier könnte es ähnlich sein. Wie Jenson schon sagte: Wir haben ein paar nette Hilfsmittel, die uns in den vergangenen Jahren nicht zur Verfügung standen. Der verstellbare Heckflügel, die Reifen und dergleichen. Meiner Meinung nach werden wir mehr als einen Boxenstopp sehen. Im vergangenen Jahr war es ein vergleichsweise einfaches Rennen. Wir kamen nur einmal zum Reifenwechsel herein. Nun scheinen die Chancen gut zu stehen, guten Rennsport zu sehen. Natürlich besteht immer eine Chance, von Platz zwei, drei oder fünf zu siegen. Das Ziel lautet aber logischerweise, das Auto auf die Pole-Position zu stellen. Danach sehen wir, was wir im Rennen leisten können. Erst dann werden wir herausfinden, was passiert. In der Qualifikation geht es um die eine schnelle Runde, doch im Rennen kommt es darauf an, einige Umläufe mehr zustande zu bringen.

Gehst du dieses Wochenende anders an als sonst?

Vettel: Ich versuche, genau das zu vermeiden. Ich sehe keinen Grund, weshalb ich es anders angehen sollte. Das Ziel an diesem Wochenende ist, das Beste aus dem Auto und aus uns selbst herauszuholen. Ich mag diese Strecke sehr. Wir Fahrer lieben es, hierher zu reisen. In diesem Jahr ist es etwas Besonderes für uns, hier zu sein, weil es doch zu Jahresbeginn ein Erdbeben gegeben hat. Das betraf das komplette Japan. Für uns ist es etwas Spezielles, dass wir unsere Unterstützung zeigen können. Wir probieren, möglichst viel zu tun. Es mag nur ein kleines Bisschen sein, um den Leuten ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. In mancherlei Hinsicht sind die Japaner sehr leidenschaftlich, was die Formel 1 anbelangt. Es ist erst Donnerstag, doch die Tribünen sind teilweise schon voller Menschen. Es ist schön, eine solche Unterstützung zu sehen. Wir versuchen, eine gute Show auf die Beine zu stellen. Hoffentlich haben wir ein gutes Rennen und können etwas zurückgeben.

Kannst du uns etwas über dein Helmdesign sagen? Zweite Frage: Im vergangenen Jahr holtest du den Titel im letzten Rennen. Fühlt es sich nun anders an, vorzeitig siegen zu können?


Vettel: Nun, den Helm werdet ihr schon am Freitag sehen. Im vergangenen Jahr hatten wir ein besonderes Design für den Grossen Preis von Japan und das ist auch in diesem Jahr der Fall. Ich sagte schon einmal, dass wir ein Zeichen obendrauf haben werden. Es heisst 'kizuna' und steht für die Bande der Freundschaft. Es raufte die Menschen nach dem Erdbeben und in den darauf folgenden Wochen zusammen. Es geht darum, den Zusammenhalt der Leute und gegenseitige Hilfe zu fördern. Was die Gesamtwertung anbelangt: Ich Augenblick versuche ich, nicht daran zu denken. Ich möchte mich auf dieses Rennen konzentrieren. Wir werden schon bald herausfinden, ob wir uns in einer guten Position befinden oder nicht. Es ist ganz anders als noch 2010. Im vergangenen Jahr wussten wir, dass wir eine gute Leistung bringen mussten, um unsere Titelchancen am Leben zu erhalten. In diesem Jahr haben wir eine starke Ausgangslage inne. In gewisser Weise freuen wir uns darauf. Selbst wenn es sehr eng zugeht, ist es meiner Meinung nach trotzdem wichtig, den letzten Schritt zu vollziehen. Da spielt es keine Rolle, ob es nun zehn Punkte sind oder nur ein Zähler. Wir müssen erst noch unsere Arbeit machen.

Was würde es dir bedeuten, auf einer Strecke den Titel zu gewinnen, auf der schon Michael Schumacher, Nelson Piquet und Ayrton Senna ihre WM-Triumphe perfekt machten?

Vettel: Ja, nur leider wurde die Holzbaracke am Hotel abgerissen. Es besteht also keine Chance mehr auf neue Unterschriften. Glücklicherweise und unglücklicherweise. Manche Leute willst du einfach nicht singen hören! Zunächst einmal konzentrieren wir uns auf das Rennen. Das geniessen wir mehr als alles andere. Danach schauen wir weiter. Ich kann mich an die Jahre erinnern, in denen Michael sehr nahe dran war - zum Beispiel 1998. Ich denke, er stand kurz davor, die WM zu gewinnen, als sein Motor platzte (1998 würgte Schumacher am Start den Motor ab und hatte später einen Reifenschaden, 2006 warf ihn ein Motorschaden aus dem Rennen). Davor verfolgte ich es nicht, doch ich sah in der Zwischenzeit viele Videos und las auch viel nach. Vor allem über Senna und Prost. Ich denke, darauf muss ich nicht eingehen, denn jeder weiss Bescheid. Es ist eine besondere Strecke. Nicht nur, weil sie sehr fordernd ist, sondern auch aufgrund der Geschichte. Es ist einer der Grands Prix mit grosser Tradition und grosser Geschichte. Das kannst du gewissermassen auf jeder Runde spüren. Für mich war es vor zwei Jahren etwas sehr Spezielles, hier zum ersten Mal zu gewinnen. Wir versuchen daher, es wieder zu tun.

Jenson, du bist der Einzige, der Sebastian Vettel noch vom Titelgewinn abhalten kann. Deine Zukunft ist mittlerweile gesichert. Bist du nun zufriedener und fahrerisch besser als in deiner WM-Saison 2009?

Button: Ich dachte, während meiner WM-Saison ziemlich gut gefahren zu sein - vor allem im ersten Abschnitt dieses Rennjahres. Ich bin jetzt aber definitiv ein besserer Fahrer. Ich habe viele gute und schlechte Erfahrungen gemacht. Es ist ziemlich traumatisch, wenn du um den Titel kämpfst und plötzlich Probleme mit dem Tempo hast. Da musste ich durch. Jetzt habe ich viel Selbstvertrauen in mich und in das Team, mit dem ich arbeite. Das ist der Leistung sicherlich zuträglich. Bin ich jetzt zufriedener? Ich weiss es nicht. Ich war in den vergangenen Jahren schon ziemlich zufrieden, was das Rennfahren und auch mein Privatleben anbelangt. Das macht also keinen Unterschied.

Sebastian, vor jedem Wochenende gehst du einmal um die Strecke. Wie wichtig ist dir das und welche Neuerungen konntest du dieses Mal entdecken?


Vettel: Nichts Neues. Die Strecke ist mehr oder weniger so, wie ich sie in Erinnerung hatte. Ich nutze diese Gelegenheit natürlich nicht nur, um den Kurs in Augenschein zu nehmen, sondern lasse mich dabei auch auf den neusten Stand bringen, was in der Fabrik passiert. Ich unterhalte mich mit den Ingenieuren, wir sprechen über unsere Herangehensweise an das Wochenende und wie unsere Ziele aussehen. Das alles geschieht nebenher, wenn wir uns die Strecke und besonders die Curbs anschauen. Letztere wechseln manchmal die Richtung und haben gewisse Schwachstellen. Hin und wieder unterhalten wir uns auch über Irrelevantes, doch das ist schon fast eine Tradition und ein guter Auftakt ins Wochenende.

Eine Frage an alle: Welche Art von Strecke bevorzugt ihr? Suzuka, wo die Auslaufzonen klein sind und das Risiko dafür recht groß ist, oder Istanbul, wo Fehler nicht bestraft werden, weil es riesige Asphaltflächen gibt, die ein Comeback erlauben?

Button: Ich denke nicht, dass die Banden hier so nahe an der Strecke stehen. Es ist keine unsichere Strecke. Du kannst dir hier aber keinen Fehler erlauben, weil an vielen Stellen eben kein Asphalt ist. Wenn du das Gras berührst, landest du im Kiesbett. Das kann einen frühen Feierabend zur Folge haben. Der Rennwagen wird hier gnadenlos abgebremst. Bei einem heftigen Unfall ist das nicht der Fall. Die Sicherheit ist hier also kein Problem. Wir finden diesen Kurs so aufregend, weil wir wissen, dass wir für jeden Fehler bestraft werden, denke ich. Deshalb mögen es viele Fahrer, in Suzuka anzutreten. Die meisten Piloten haben in ihrer ersten Saison so ihre liebe Not auf dieser Strecke - oder finden sich irgendwo im Kiesbett wieder.

Kovalainen: Suzuka würde ich Istanbul vorziehen. Wie Jenson schon sagte: Mit den Auslaufzonen hat das aber nichts zu tun. Es liegt vielmehr am Layout der Strecke, der Beschaffenheit des Asphalts und der Fahrweise. Suzuka hat ein tolles Layout mit hohem Tempo und vielen Richtungswechseln. Ein Formel-1-Auto ist hier in seinem Element. Wir würden hier nicht fahren, wenn es zu riskant wäre und wenn der Kurs die nötigen Tests nicht bestanden hätte. Unsere Sorgen sind hier nicht grösser als an anderen Rennplätzen.

Jenson, Sebastian Vettel verweist stets auf die kleine Chance, dass du den Titel noch gewinnen kannst. Was hältst du davon?

Button: Ich finde es klasse, dass Sebastian vor diesem Rennen glaubt, dass ich eine Chance auf den Titel habe. Da ist er wahrscheinlich der Einzige hier... oder der Einzige, der es ausspricht. Es ist noch nicht vorbei. Sebastian möchte wohl nicht darüber nachdenken, bis das Rennen zu Ende ist. Nach dem Rennen, wenn die Meisterschaft gelaufen ist, ist es ein klasse Erlebnis, als Champion über die Linie zu kommen. Ich bin mir sicher: Darauf freut er sich schon, will jetzt aber noch nicht darüber nachdenken und es schon gar nicht mit uns allen hier besprechen. Für mich ist Suzuka eine Strecke, auf der ich gerne gewinnen würde. Das gilt wahrscheinlich für alle von uns. Es ist eine richtig grosse Herausforderung. Hier einen Sieg zu holen, wäre klasse. Man würde sicherlich im Schatten des Titelgewinns einer gewissen Person stehen, doch trotzdem würde ich es geniessen.

Sebastian, du fährst nicht nur um den Titel, sondern auch um Bestleistungen in der Formel-1-Statistik. Es könnte eine der erfolgreichsten Saisons überhaupt werden. Versuchst du, dergleichen zu erreichen? Nimmst du dir gar die Leistungen von Michael Schumacher vor? Verschafft dir das eine Extramotivation?

Vettel: Eigentlich nicht. Im Hinblick auf Michael muss ich sagen: Was auch immer wir tun, er tat viel mehr. Wie ich schon sagte: Wir nehmen es Rennen für Rennen. In dem Moment, in dem man damit beginnt, sich mit zu vielen Dingen zu beschäftigen, verliert man die Kontrolle über die aktuellen Vorgänge. Sie gleiten dir dann durch die Finger. Das wäre falsch. In der Vergangenheit gab es Situationen - vielleicht nicht in dieser Art - und wir lernten unsere Lektion. Es wäre nicht richtig, wenn wir es uns gestatten würden, all das zu vergessen und die gleichen Fehler noch einmal zu machen. Das wäre nicht sehr klug. Wir versuchen daher einfach, das Beste aus uns herauszuholen und das Paket, das uns zur Verfügung steht, zu genießen. Wir haben wieder ein konkurrenzfähiges Auto, das Team arbeitet fantastisch gut und wir haben einen tollen Lauf. Es gibt keine Garantie dafür, dass es auch im nächsten Rennen oder im Grand Prix danach noch so sein wird und dass wir ähnlich konkurrenzfähig sein werden als im vorangegangenen Rennen. Wir müssen jede Chance nutzen, die sich uns bietet. Ich sagte es vorhin bereits: Wenn es eine Siegchance gibt und wir das Gefühl haben, sie beim Schopfe packen zu können, dann müssen wir das tun. Gibt es keine Chance, dann werden wir halt versuchen, auf Platz zwei einzulaufen. Gibt es auch dafür keine Chance, dann werden wir halt Dritter. Das ist einfach gesagt, doch manchmal ist es nicht so einfach umgesetzt. Wie ich aber schon sagte: Wir bestreiten ja nicht unser erstes Rennen.

Eine Frage an Kamui und Sebastian: Als ihr jünger wart, fuhrt ihr beide als Teamkollegen für das gleiche Team. Was hat sich seither verändert? Denkt einmal an die jeweilige Persönlichkeit, den Fahrstil, die Kommunikation mit dem Team und vielleicht an die Strategie am Wochenende und das technische Verständnis. Zweite Frage: Könntet ihr euch vorstellen, wie es sein würde, wenn ihr wieder einmal Stallgefährten wärt? Wie wäre euer Verhältnis zueinander?


Vettel: Ich habe viele gute Erinnerungen. Ich erinnere mich daran, dass es Kamuis erstes Jahr in der Formel 3 war. Er kam als Neuling, doch dazu kann man auch Paul befragen. Wir fuhren alle für gewisse Zeit im gleichen Team. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass Kamui in manchen Kurven - ich weiss nicht - zehn km/h schneller war als wir anderen. Wir konnten das nicht nachvollziehen. Er war das gesamte Wochenende über schneller. In anderen Kurven hatten wir indes kleine Vorteile beim Tempo. Es ist halt immer ein Geben und Nehmen. Die Verrücktheit, die wir manchmal sehen, hat er also nicht verloren. Ich erinnere mich an ein Rennen, in dem er ich weiss nicht wie viele Fahrzeuge überholte. Manchmal scheint er Lücken zu finden oder Linien zu sehen, die andere nicht erkennen. Das macht ihn zu einem sehr guten Fahrer. Was die Zukunft anbelangt - keine Ahnung. Die Situation ist nun eine andere, denn es gibt nun viele Kameras und wir sehen und sprechen uns nicht mehr so oft wie in der Vergangenheit. Ich denke oder weiß, dass er noch immer der gleiche Typ ist. Ich hätte nichts dagegen, wieder neben ihm zu fahren. Zumindest solange ich sicherstellen kann, dass er in manchen Kurven nicht erneut zehn km/h schneller ist...

Kobayashi: Im Augenblick fahren wir in so unterschiedlichen Autos, dass ich nicht sagen kann... Er war in der Formel 3 immer gut. Er arbeitet immer richtig hart und kommuniziert prima mit den Ingenieuren. Das kann ich an den TV-Bildern erkennen. Er hat eine gute Beziehung zum Team, doch das ist schon seit langer Zeit der Fall. Er war schon in der Formel 3 gut darin, mit den Jungs vom Rennstall zu kommunizieren. Das ist alles, denke ich. Deshalb kann er das Auto schnell machen und auf der Strecke der Schnellste sein.

Sebastian Vettel leistet in diesem Jahr ausserordentliche Arbeit. Welche drei Piloten sind eurer Meinung nach derzeit die besten Formel-1-Piloten?

Kovalainen: Du meintest doch: Welche drei Namen stehen hinter mir, wenn ich mich aus dieser Liste herausnehme, oder? Das sind natürlich Sebastian, Jenson und wer auch immer gerade Dritter in der Gesamtwertung ist. Fernando? Lewis? Das ist die Reihenfolge in diesem Jahr. Daran muss man sich orientieren, denke ich.

Jenson, sprich doch einmal ein bisschen über deine Beziehung zu Japan. Was tust du, wenn du hier bist? Fährst du dann auch mit der U-Bahn? Wie sehr hat sich dein Bild von diesem Land gewandelt, seitdem du das erste Mal hier warst?


Button: Ich habe natürlich keine so grosse Verbindung zu Japan wie Kamui. Erstmals war ich 1996 hier. Ich fuhr noch Kart und es war ein grosser Schock für mich. Ich war damals 16, als ich zum ersten Mal hierher reiste. Es ist eine so andere Kultur. Damals verstand ich rein gar nichts - keine Strassenschilder, keine Strassennamen, nichts. Alles war natürlich auf Japanisch. Für einen 16-Jährigen wie mich war das sehr schwierig, doch ich genoss meinen Trip. Es war einmal etwas Anderes und ich liebte es auch, in Suzuka zu fahren. 1996 und 1997 fuhr ich hier auf der hiesigen Kartstrecke, die bei der 130R angesiedelt ist. Keine Ahnung, ob ihr schon einmal dort wart. Es ist wie der Grand-Prix-Kurs - einfach phänomenal. In meinen Augen ist es der beste Kurs, den ich zu Kartzeiten befahren konnte. Ich hatte dort eine gute Zeit, doch seit 1996 hat sich einiges verändert. Ich habe nun ganz andere Erfahrungen mit Japan. Ich verbrachte fünf oder sechs Jahre mit einem japanischen Rennstall und arbeitete mit vielen japanischen Menschen zusammen. Jetzt habe ich eine japanische Freundin. Es gibt also einige Anknüpfungspunkte. Ich verbringe hier recht viel Zeit, um zu trainieren, entspannen und gutes Essen zu mir zu nehmen. Für mich fühlt es sich wie ein Zuhause an, obwohl ich nicht viel Japanisch kann. Ich kenne ein paar Worte, das Wichtigste eben. Egal, aber jetzt höre ich auf. Ja, die Japaner sind sehr stark. Japan wurde in diesem Jahr von einigen Katastrophen heimgesucht. Wir sahen, wie stark die japanischen Menschen sind und wie sehr sie sich zusammenrauften, als sie in Schwierigkeiten steckten. Wir alle können etwas von ihnen lernen. Das sollten wir auch tun. Außerdem sollten wir ihnen bestmöglich helfen, wie das Kamui an diesem Wochenende zum Beispiel sehr intensiv tut. Das tun mehrere Piloten. Wir geben immer unser Bestes. Ist das genug? Ich weiß es nicht. Mein Helm sieht recht ähnlich aus in Monaco. Er ist komplett im Japan-Stil gehalten und nach dem Rennen wird er versteigert. Der Erlös geht einer japanischen Wohltätigkeitsorganisation zu, die sich für von Tsunami und Erdbeben Betroffene einsetzt.

6.20.2011