Whitmarsh nimmt Ferrari-Drohung nicht ernst

Martin Whitmarsh (links) glaubt nicht an Ferraris

Ausstiegsdrohungen

Ferrari rasselt derzeit wieder einmal mit den Säbeln und deutet einen Ausstieg aus der Formel 1 nach Ablauf des aktuellen Concorde-Agreements im Jahr 2012 an: "Wenn man uns zustimmt, ist das schön, aber wenn nicht, dann müssen diejenigen einfach unsere Position akzeptieren", signalisierte Präsident Luca di Montezemolo Anfang November.

Doch Ferrari droht damit nicht zum ersten Mal, sodass die Konkurrenz die Aussage des Italieners nicht auf die Goldwaage legt: "Es wäre sehr ungesund, das ernst zu nehmen", sagt McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh im Interview mit 'formula1.com', einer Internetseite, die von Bernie Ecclestone himself kontrolliert wird - und der hat wenig Interesse daran, dass Montezemolos Säbelrasseln als ernsthafte Ausstiegsdrohung verstanden wird... Whitmarsh scheint Montezemolos Äusserungen jedenfalls eher wie Ecclestone wahrzunehmen, wenn er sagt: "Ich bin schon seit mehr als 20 Jahren in diesem Sport und habe schon oft gehört, dass das gesagt wurde. Ehrlich gesagt habe ich noch nie geglaubt, dass Ferrari aussteigen wird. Vielleicht irre ich mich, aber das ist meine Meinung. Ich glaube, sie haben das gar nicht so oft und energisch gesagt, wie von den Medien behauptet wird, und manchmal entspringt so etwas einfach Leidenschaft und Frust."

Im Gegenteil betrachtet er Ferrari sogar als einen der verlässlichsten Partner der Formel 1: "Wenn man mich in Rente schicken und mich zwingen würde, all mein Geld auf zwei Teams zu setzen, die in zehn Jahren noch da sind, dann würde ich auf McLaren und Ferrari wetten", so der Brite. "Ich denke, das sind die Teams, bei denen man sich hundertprozentig darauf verlassen kann, dass sie in zehn Jahren noch da sein werden." Aber was, wenn auch bei McLaren mal der Frust einkehrt? Droht dann auch Whitmarsh selbst mit einem Ausstieg aus der Formel 1? "Glaube ich nicht", winkt er ab. "Ich denke, wir würden anders damit umgehen, weil es niemandem hilft."

Whitmarsh: "Hamilton hat Button unterschätzt"


Obwohl Lewis Hamilton in Abu Dhabi mit seinem Sieg doch noch für einen versöhnlichen Saisonausklang gesorgt hat, kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihm Jenson Button bei McLaren diese Saison den Rang abgelaufen hat. Der 31-Jährige liegt in Punkten uneinholbar vor seinem Teamkollegen - eine Situation, die Hamilton fremd ist. Teamchef Martin Whitmarsh ist der Ansicht, dass der Weltmeister 2008 Heikki Kovalainens McLaren-Nachfolger unterschätzt hat. "Wahrscheinlich hat er das getan", sagt der Brite gegenüber 'Formula1.com'. "Man kann ganz offen darüber sprechen. Während seiner gesamten Karriere hat Lewis jeden Teamkollegen zerstört, der ihm in die Quere kam. Man darf nicht vergessen, dass er Fernando Alonso im wahrsten Sinne des Wortes zerstört hat, als Fernando ein zweifacher Weltmeister war und Lewis ein Rookie." Doch auch vor der Formel-1-Karriere setzte sich Hamilton stets gegen seine Teamkollegen durch, sagt Whitmarsh: "Das tat er auch mit Nico Rosberg im Kartsport und auf dem Weg in die Formel 1 mit jedem anderen Teamkollegen." Dazu kommt, dass Button ein Fahrer ist, der die Tendenz hat, unterschätzt zu werden.

Button: Täuscht der erste Eindruck?

Das ist Whitmarsh ebenfalls bewusst: "Jenson wird leicht unterschätzt. Man könnte sich die Frage stellen, ob er wirklich ein Kämpfer ist, ob er hungrig ist, weil er so hervorragende Manieren hat. Das könnte bei ihm ein Grund zur Sorge sein, bevor man ihn wirklich kennt, aber ich muss sagen, dass ich ihn jetzt viel besser kenne. Man muss sich nur ansehen, wie hart er gefahren ist und wie hart er in Kanada für seinen unglaublichen Sieg gepusht hat. Das war die pure Entschlossenheit." Der McLaren-Teamchef weiss, dass Buttons Entschlossenheit auch vor dem Teamkollegen nicht halt macht, sieht darin aber keine Probleme: "Er hat seine Kämpfe mit Lewis und will ihn schlagen - und so wollen wir es haben. Ich denke, dass wir im Team eine sehr gute Dynamik haben. Ich weiss, dass Teams oft darüber sprechen, wie harmonisch die Beziehung innerhalb des Teams ist und etwas schönreden, aber ich denke, dass jeder Zeuge mitbekommt, dass zwischen unseren Fahrern ein ehrlicher Respekt herrscht."

Kanada als Nagelprobe für Beziehung der Fahrer

Das habe sich vor allem in Kanada gezeigt, als es zur Kollision der beiden McLaren-Piloten kam und Hamilton sein Rennen beenden musste. "Selbst in der Hitze des Gefechtes in Kanada, wo Lewis ein gefundenes Fressen für die Medien gewesen wäre, hat er aussergewöhnliche Reife bewiesen. Wie die Sache behandelt wurde, spricht Bände über die Beziehungen in unserem Team und vor allem zwischen den zwei Jungs." Das liegt vor allem an der Transparenz: Politik spielt laut Whitmarsh bei McLaren keine Rolle - beide Fahrer werden fair behandelt und behandeln einander fair: "Jenson ist erpicht darauf, seinen Teamkollegen zu schlagen, aber er würde das nie auf eine hinterhältige Art und Weise machen. Für beide Fahrer gilt, dass es keine Politik gibt. Beide wollen in gleichem Maße zum Team beitragen." Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Hamilton seit seiner Kindheit eine Beziehung zu McLaren hat und vom Rennstall stets gefördert wurde, während Button erst seit 2010 beim Team ist. Whitmarsh versetzt sich in die Situation des WM-Zweiten: "Wenn man zu einem Team kommt und weiss, dass ich Lewis kenne, seit er elf ist, dann könnte man natürlich in Frage stellten, ob man gleich behandelt wird. Aber das ganze Gerede, wer jetzt Nummer-eins-Fahrer ist, wurde von den Medien in die Welt gesetzt. McLaren war schon immer ein Team, das seine Fahrer frei fahren liess. Das ist unser Geist und daran halten wir uns."

17.11.2011