Hamilton & Schumacher: "So wird Rennen gefahren"

Lewis Hamilton jagt Michael Schumacher:

Die beiden lieferten sich ein klasse Duell

Der Grosse Preis von Italien war erst wenige Runden alt, da bahnte sich ein Duell an, das die Fans auf den Tribünen und vor den TV-Bildschirmen über weite Strecken des Rennens in seinen Bann ziehen sollte: Lewis Hamilton (McLaren) legte sich den auf Rang drei liegenden Michael Schumacher (Mercedes) zurecht, fand aber rundenlang kein Rezept, um den Rekordchampion zu bezwingen.

"Schumi" verteidigte sich mit Händen und Füssen, machte seinen Silberpfeil so breit wie die Strecke in Monza, leistete sich aber keinen Fehler und blieb vorne. Hamilton mühte sich ebenfalls nach allen Regeln der Kunst, fuhr oft aus dem Windschatten heraus, nutzte den verstellbaren Heckflügel, doch der Drehzahl-Begrenzer und natürlich Schumacher verhinderten einen erfolgreichen Überholversuch. Nach der ersten Serie der Boxenstopps trat keine Veränderung ein - erst nach der Rennhälfte ging Hamilton auf der Anfahrt zur Ascari-Schikane aussen (!) an Schumacher vorbei. Der Deutsche hatte unmittelbar zuvor von Teamchef Ross Brawn mehrfach die Anweisung erhalten, Hamilton etwas mehr Platz zu lassen. Kaum war dieser durchgeschlüpft, setzte er sich ab. Schumacher war geschlagen.

Schumacher hatte Spass in Monza

Der 42-Jährige schwärmt aber regelrecht von seinem Duell mit dem 26-jährigen Hamilton: "Lewis ist als harter Racer bekannt und meine Reputation ist nicht grossartig anders. Ich nenne es einfach Racing. Den Fans hat es sicherlich Spass gemacht", meint Schumacher. Er habe nicht das Gefühl, eine übertriebene Härte an den Tag gelegt zu haben oder im Zweikampf gar unfair agiert zu haben. "Ich nutzte die Regeln und das Auto maximal aus, machte mich breit. Ich war der Ansicht, dass ich ihm genug Platz gelassen habe", sagt der Mercedes-Fahrer. "Dass es eng wird, kann sein - aber dafür fahren wir Rennen in der Formel 1. Natürlich geht man in solchen Fällen an die äussersten Grenzen, doch solange die FIA nichts sagt, ist doch alles okay", findet Schumacher. Und was sagt Hamilton?

Der britische Rennfahrer zeigt sich etwas wortkarg, was das Duell mit "Schumi" anbelangt: "Ich kam ja vor ihm ins Ziel, es gibt also keinen Grund für Albträume. So ist der Rennsport", erklärt Hamilton nach der Zieldurchfahrt. McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh wurde etwas deutlicher und störte sich vor allem an einer Szene, in der Hamilton in der Curva Grande mit seinen Rädern kurz in der Wiese war. "Dieses Manöver war furchteinflößend", klagt Whitmarsh und auch Marc Surer attestiert Schumacher in diesem Zusammenhang keine völlig weisse Weste. "Das Verteidigen war schon hart am Limit", sagt der Schweizer. "Ich meine: Wir befinden uns hier auf einer Strecke, auf der mit Höchstgeschwindigkeit gefahren wird. Es gibt nicht viele Auslaufzonen. Bei 300 km/h wurde es manchmal wirklich eng zwischen den Autos, als Michael rüberzog", hält der frühere Formel-1-Pilot fest. "Er verteidigte sich mit allen Mitteln. Das war sicherlich grenzwertig, aber ich kann auch nicht sagen, dass er irgendwann einmal klar gegen das Reglement verstossen hätte." Die Rennleitung klopfte jedoch bei Mercedes an, wie Teamchef Brawn rückblickend gesteht. "Die FIA bat darum, vorsichtig zu sein. Es war immer genug Platz da. Sie kämpften so lange miteinander, da geht es natürlich auch mal eng zu. Es war aber alles fair und in Ordnung. So etwas wollen wir doch sehen", sagt Brawn. Ihm habe das Duell gefallen. "Die schenkten sich nichts, kämpften grossartig und blieben fair. Genau so wollen wir das sehen", gibt Brawn zu Protokoll.

Mercedes-Sportchef Norbert Haug stimmt zu: "Ich stand und wollte gar nicht mehr sitzen. So wird Rennen gefahren", erläutert der Deutsche. "Sich mit einem nicht ganz so starken Auto so zu verteidigen, das ist der Reiz. Lewis probierte es und Michael verteidigte seinen Platz - wie sich das gehört." Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali pflichtet seinen Vorrednern bei: "Michael fuhr klasse. Seit einigen Wochen sehen wir wieder den Michael, den wir kennen. Er verkaufte sich und sein Auto so teuer wie möglich", meint der Italiener und übergibt das Wort noch einmal an Haug: "So etwas wurde von einem gezeigt, dem man kürzlich noch nahegelegt hat, er solle doch zurücktreten. Wir werden noch viel Spass mit Michael haben. Nach Spa war dies nochmals ein Hinweis darauf, was dieser Mann kann", stellt der Sportchef von Mercedes-Benz in Monza heraus. Auch Brawn glaubt weiterhin - und mehr denn je - an Schumacher: "Seit einigen Wochen sehen wir wieder den Michael, den wir kennen." Surer, der den Mercedes-Piloten zuvor kritisch beäugt hatte, fand dessen Einsatz insgesamt prima. "Michael gefiel mir - wie schon in Spa. Er kämpft, er fightet, er sorgt für Unterhaltung. Dank ihm gab es einen spannenden Sonntag, sonst wäre es fade geworden..."

12.9.2011