Können Vettel und Newey eine Ära prägen?

Ein erfolgreiches Duo:

Designer Adrian Newey und Weltmeister Sebastian Vettel

In einem Red Bull RB7 könnten alle vorne mitfahren. Solche Sätze hört man in Zeiten der Dominanz des österreichischen Teams immer wieder. Doch ein kurzer Blick auf die Statistik 2011 widerlegt diese These recht schnell. Während Sebastian Vettel mit derzeit 324 WM-Punkten bereits als Titelträger feststeht, hat dessen Teamkollege Mark Webber noch nicht ein einziges Rennen 2011 gewonnen und genau 130 Zähler weniger auf dem Konto. Zufall oder Glückssache?

Weder noch. Auch in der Vergangenheit hat es immer wieder Piloten gegeben, die eine gewisse Zeitspanne in der Formel-1-Geschichte bestimmen konnten. Michael Schumacher war in seinen Glanzzeiten sicherlich auch nicht rein zufällig vorn. Der Faktor Fahrer zählt in der Königsklasse nach wie vor. Ein Pilot allein kann zwar Talent zeigen, aber noch lange keine Rennen und Titel gewinnen - jedenfalls nicht im Alleingang. Das Team dahinter muss funktionieren und pfiffige Ideen einbringen. Die Kombination aus Technikgenie und Toppilot hat schon oft für Dominanz gesorgt. Das war früher bei Colin Chapmann und Jim Cark der Fall, ebenso bei Ken Tyrrell und Jackie Steward sowie (in gemeinsamen Ferrari-Tagen) bei Ross Brawn und Michael Schumacher. Das Duo Sebastian Vettel und Adrian Newey agiert offensichtlich auf mindestens einem ähnlichen Niveau. Der britische Stardesigner entwirft ein Premiumprodukt, der junge Deutsche weiss es entsprechend anzuwenden.

"Ich habe Sebastian schon früh beobachtet. Richtig interessiert hat er mich aber erst, als deutlich wurde, dass auch er zu Red Bull kommen würde. Vorher kannten wir uns kaum. Es ging kaum über ein 'Hallo' im Fahrerlager hinaus", sagt Newey gegenüber 'Autosport'. Das herausragende Talent habe er erst "etwas später und langsamer" im Deutschen erkennen können. "Es ging für ihn zuerst ohnehin nur darum, sich bei Toro Rosso gut zu schlagen. Das hat er eindrucksvoll geschafft." Während Vettels erster Formel-1-Jahre bei Toro Rosso seien allerdings schnell andere Teams auf den Heppenheimer aufmerksam geworden. "Man kann sich ja vorstellen, dass da manch einer kam und sagte: 'Komm zu uns, denn Red Bull kann dir nicht viel bieten'. Aber Sebastian ist ein loyaler Mensch. Er wollte bei den Leuten bleiben, die ihn in die Formel 1 gebracht hatten und bei denen er unter Vertrag stand. Daran hat er niemals einen Zweifel gelassen. Als er 2009 dann zu Red Bull kam, da hat sich zwischen uns eine Beziehung entwickeln können", sagt Newey über die Anfänge der intensiven Zusammenarbeit. "Man kann im Fahrerlager immer mal Piloten beobachten und kurz einen Plausch mit denen halten, um deren Charakter ein bisschen kennenzulernen. Wie jemand wirklich ist, merkst du aber erst, wenn du mit ihm zusammenarbeitest. Vorher kannst du es nie genau wissen."

Schon kurze Zeit nach Vettels Wechsel zum grossen Team von Dietrich Mateschitz wurde Newey klar, dass er es mit einem Ausnahmetalent zu tun hat. "Er ist hoch talentiert, sehr zielstrebig, er arbeitet hart und ist ein schlauer Kerl", sagt der britische Techniker, "aber das ist längst nicht alles. Er lernt in jedem Rennen hinzu, macht nur ganz selten einen Fehler zweimal. Er ist ein Wettbewerbstyp, aber auf angenehme Art. Er ist überhaupt nicht arrogant. Wenn er aber nicht das schafft, was er meint erreichen zu können, dann ist er extrem genervt."

Der ständige Wunsch nach weiteren Verbesserungen auf fahrerischer sowie technischer Seite sei der Faktor, der ihn am meisten beeindrucke. "Er ist extrem wissbegierig", sagt der Red-Bull-Chefdesigner. "Er will immer alles verstehen. Er ist sogar an jenen technischen Details interessiert, die sich gar nicht beim Fahrern niederschlagen. Das ist einfach seine wissbegierige Art." In diesem Bereich sei er womöglich vergleichbar mit anderen Champions. Newey arbeitete immerhin unter anderem schon mit den Herren Prost, Senna, Häkkinen und Villeneuve zusammen. "Ich weiß nicht, ob man diese Leute wirklich miteinander vergleichen kann", sagt Newey. "Ich kann jeden nur so nehmen wie er ist. Sebastian ist definitiv niemand, der sich vom Rummel ablenken lässt. Das spielt in seinem Kopf überhaupt keine Rolle. Er ist nicht der Typ für das Showbiz. Ganz im Gegenteil. Er ist einer, mit dem man jederzeit in eine ganz normale Kneipe an der Ecke auf einen kurzen Drink gehen kann. Er bleibt sich jederzeit treu. Nicht so wie bei den Leuten, die am 'Fussballer-Syndrom' leiden - junge Leute, die schnell zu Erfolg kommen und denen das zu Kopf steigt. So ist Sebastian überhaupt nicht. Er ist total locker und ihm steigt nichts zu Kopf", lobt Newey die Bescheidenheit des zweimaligen Weltmeisters. Auch der Brite gibt zu, dass ihm bislang noch nie ein Pilot solch jungen Alters begegnet sei, der in seiner Entwicklung dermassen weit sei. "Letztlich kommt es darauf an, wie schnell man aus eigenem Handeln lernen kann. Das sehe ich bei Sebastian noch kein Ende. Er ist ein Typ, den wir bestimmt auch in zehn Jahren noch in der Königsklasse sehen werden. Vorausgesetzt, er hat weiterhin Spass an der Sache", meint Newey. "Wenn er aber eines Morgens aufwacht und bei ihm ist etwas im Kopf, was ihm noch mehr Freude bereiten könnte, dann sieht die Sache vielleicht anders aus. Er ist ein Kämpfer. Auch in Suzuka wollte er keinen dritten, vierten oder fünften Platz, sondern er wollte siegen - das war ein gewisses Risiko. Aber so ist er eben."

11.10.2011