Daniel Ricciardo über seine Aufstiegschancen

Daniel Ricciardo fährt für HRT macht sich derzeit

einen Namen in der Formel-1-WM

Zur Saisonmitte wagte Daniel Ricciardo den Sprung ins kalte Wasser: Red Bull besorgte dem jungen Australier ein Cockpit bei HRT und der 22-Jährige stieg über Nacht zum Formel-1-Piloten auf. Seither sind schon einige Wochen ins Land gegangen und Ricciardo gewöhnt sich mehr und mehr an das Fahren in der Königsklasse. Der Red-Bull-Nachwuchsfahrer verrät, wie viel Druck er von Helmut Marko bekommt und wie er damit umgeht.

Frage: Daniel, deine Formel-1-Karriere ist nun schon ein paar Rennen alt. Die Erwartung von Red Bull an dich ist, dass du auf Augenhöhe mit Vitantonio Liuzzi fahren und ihn irgendwann auch einmal schlagen sollst. Wo siehst du dich selbst bei der Erfüllung dieser Aufgabe?

Daniel Ricciardo: Ich denke, ich kam ihm immer näher - bis zu meiner Leistung in Spa, die sehr frustrierend war. Ich hoffe einfach, dass sich das mit der Zeit einstellt und dass ich im Qualifying einmal meinen Namen über seinem lesen kann. Ich arbeite sehr hart, um zu versuchen, möglichst viel aus dem Auto und mir selbst herauszuholen. In Budapest hatten wir eine gute Chance, denn dort war ich ziemlich schnell. Tonio brachte dann aber eine gute Runde zustande und war vorne. Wenn ich meinen Versuch auf den Punkt kriege und mein persönliches Limit erreiche, dann ist das hoffentlich genug. Ich rechne damit, dass es irgendwann einmal klappt. Dieser Fall wird schon eintreten.

Spürst du den Druck von Helmut Marko? Er ist dafür bekannt, jungen Fahrern nicht allzu viele Chancen einzuräumen...

Ich denke nicht, dass ich so viel Druck verspüre. Es wäre aber sicher ein gutes Gefühl, wenn ich die Nase vorne hätte. Das würde vielleicht auch ein Lächeln in sein Gesicht zaubern. Der Druck ist immer da und ich gehe davon aus, dass er mich stets antreiben wird. Es ist nicht so, dass ich Angst um mein Cockpit habe. Ich weiss: Ich kann gut genug sein, um da zu bleiben, wo ich bin. Ich will es aber auch für mich schaffen und nicht nur für Helmut. Ich möchte versuchen, ein erfolgreicher Fahrer zu sein.

Sind es die kleinen Dinge neben dem Fahren an sich, an denen du noch mehr arbeiten musst? Zum Beispiel die Anfahrt zum Boxenstopp und das Verlassen der Boxengasse und dergleichen...

Ich denke, es gibt eine ganze Reihe an Bereichen, in denen ich mich steigern muss. Wenn man aber die Topfahrer fragt, ob sie bei einem der drei Stopps, die sie pro Rennen absolvieren, besser hätten sein können, dann werden sie vermutlich sagen, dass sie nicht immer einhundert Prozent herausholen konnten. Das ist halt so eine Sache. Meiner Meinung nach kann ich mich im Schnitt durchaus verbessern. Ganz perfekt läuft es wahrscheinlich eh nie. Eine kleine Inkonstanz gibt es immer. Generell sollte ich es in dieser Hinsicht aber noch besser auf die Reihe kriegen. Solche Dinge stellen sich jedoch wohl auch über die Zeit ein. Je öfter du es machst, umso besser geht es dir von der Hand. In der Renault-World-Series absolviert man beispielsweise nur in einem Rennen pro Wochenende einen Boxenstopp. In meiner Karriere führte ich vermutlich erst zehn, zwölf Boxenstopps durch. Das ist nicht allzu viel, wenn man es mit dem Pensum der Kollegen vergleicht. Es hört sich so einfach an. Du musst einfach versuchen, es maximal gut umzusetzen."

Gibt es abgesehen von Boxenstopps noch Baustellen, denen du dich widmen solltest?

Es gibt ein paar. Meine Geschwindigkeit im Rennen wird aber besser. Ich konnte mich aber auch beim Reifenhaushalt steigern. Das ist ein Bereich, indem ich mich seit meinem ersten Rennen verbessern konnte. In dieser Hinsicht entwickelt es sich in die richtige Richtung. Meine Starts sind noch ein bisschen inkonstant. In Budapest kam ich gut weg, in Spa weniger gut. Darum muss ich mich kümmern. Über die Boxenstopps haben wir schon gesprochen. Dann hätten wir da noch die Qualifikation. Mein Renntempo ist nun besser. Ich muss es nur auch im Qualifying auf die Reihe kriegen. Wenn ich alle Sektoren aneinanderreihen kann und sie perfekt meistere, sollte ich doch vor Tonio stehen.

Kannst du eigentlich die Daten von Vitantonio Liuzzi verwenden?

Ja, wir können versuchen, diese Informationen zu verwenden. Selbst wenn er aber das gleiche Setup nutzt wie ich - niemand hat den gleichen Fahrstil. Üblicherweise treten wir zunächst mit einem identischen Setup an, das wir im Verlauf des Wochenendes mehr und mehr auf uns selbst anpassen. Wir schauen, wie viel ich übernehmen kann und wie viel ich selbst erarbeiten muss. Es liegt in der Gegend von 50:50, würde ich sagen.

Sprechen wir über das kommende Jahr. Hast du schon eine Ahnung, wo du 2012 landen wirst?

Bei Red Bull, denke ich. Sie werden einfach ein weiteres Auto an den Start bringen und mich als dritten Fahrer hineinsetzen (lacht). Nein, ich weiss es wirklich nicht. Sehr wahrscheinlich wird man mir bis Brasilien genau diese Frage stellen, doch ich gehe davon aus, dass vor dem Saisonende sowieso nichts entschieden wird. Ich bin nun schon vier Jahre lang bei Red Bull. Wenn ich mich nicht täusche, wurde nie vor November ein Beschluss gefasst. Ich warte einfach ab und versuche in der Zwischenzeit, einen guten Eindruck zu hinterlassen.

Kann man sagen, dass du bei einem ordentlichen Saisonverlauf 2011 eine Chance auf ein Cockpit bei Toro Rosso hast, sonst aber bei HRT bleiben wirst?

Meiner Meinung nach besteht eine Chance. Ich kenne das Team natürlich von früher und habe nach wie vor Kontakt zu einigen Angestellten. Sie schauen, wie ich mich schlage. Es gibt eine Chance, aber das hängt sicherlich davon ab, was die aktuellen Fahrer leisten. Es kommt wohl darauf an, ob diese Piloten wechseln oder an Bord bleiben. Es liegt also nicht alleine an meiner Person. Ich kann da keine Vorhersage anstellen und es auch nicht kontrollieren. Ich kann nur versuchen, hier und jetzt - bei HRT - mein Bestes zu geben. Dann schauen wir einmal, was passiert.

Sprichst du auf Seiten von Red Bull hauptsächlich mit Helmut Marko oder hast du auch Kontakt zu Franz Tost und anderen Personen?

Ich spreche durchaus auch mit Franz. Helmut ist gewissermassen mein Chef, wenn man das so sagen will. Ich stehe hauptsächlich mit ihm in Kontakt. Das liegt daran, dass er der Entscheidungsträger ist. Franz erkundigt sich bei mir, wie es läuft und dergleichen. Das war schon im vergangenen Jahr so, als ich noch in der Renault-World-Series fuhr. Es ist prima, dass es ausser Helmut noch andere Personen gibt, die mir zuschauen und die ein Auge auf mich haben. Es herrscht einfach ein gewisses Interesse, was das Red-Bull-Programm mit sich bringt. Ich muss halt den Erwartungen gerecht werden.

Unterhalten wir uns noch über die Qualifikation in Monza. Rechnest du damit, Probleme mit der 107-Prozent-Hürde zu bekommen? Am Freitag gelang dir das ja nicht...

Ich denke, wir kommen ziemlich gut mit dieser Strecke klar. Ich habe aber nicht nachgesehen, um ehrlich zu sein. Es sollte aber klargehen. Es gibt hier nicht allzu viele Kurven und die Rundenzeit bewegt sich in etwa in der Dimension von Budapest. Dort schafften wir es, obwohl dieser Kurs deutlich mehr Kurven und Stellen hat, an denen wir Schwächen haben. Es sollte funktionieren.

Demnach fühlst du dich speziell bei Topspeed sehr wohl, richtig? Deine Werte waren am Freitag durchaus ordentlich...

Ja. Wenig Abtrieb trifft und im Vergleich zu unseren Konkurrenten nicht allzu sehr. Uns ist klar, dass es uns an Abtrieb fehlt. Üblicherweise ist es so: Je mehr Kurven eine Strecke hat, umso grösser sind unsere Schwierigkeiten. Das erklärt ein Stück weit die Abstände. Wenn wir aber in der Gegend von 107 Prozent liegen, stimmt das vielleicht nicht (lacht). Nein, ich denke, wir sollten gut aufgestellt sein.

Gibt es noch etwas, das du hinzufügen möchtest?

Ähm, dankeschön (antwortet auf Deutsch und lacht).

10.9.2011