Hamilton: Beste Erinnerungen an Spa

Lewis Hamilton peilt in Belgien

einen weiteren Rennerfolg für McLaren an

Lewis Hamilton kehrt gestärkt aus der Sommerpause der Formel 1 zurück. Der Brite nutzte die mehrwöchige Auszeit der Königsklasse, um Kraft zu tanken und sich mental auf die Schlussphase des Jahres vorzubereiten. Eben diese möchte der Weltmeister von 2008 im belgischen Spa stilgerecht mit einem Sieg einläuten, wie er in seiner Medienrunde vor dem Trainingsauftakt zu Protokoll gibt. Hamilton wurde nur zu gerne an die zuletzt starke McLaren-Form anknüpfen und nach vorne fahren.

Frage: Lewis, die Sommerpause ist zu Ende und wir sind in Spa-Francorchamps. Was hältst du von dieser Rennstrecke?

Lewis Hamilton: Ich liebe diese Strecke! Entschuldigung für meine Stimme, ich habe eine leichte Erkältung. Es handelt sich um eine klassische Rennbahn, die unheimlich schnell ist. Hier hast du als Fahrer wirklich das Gefühl, eine Entfernung zurückzulegen. Du fährst hier durch die Wälder. Zudem ist Spa nicht allzu weit von Grossbritannien entfernt, weshalb wir hier hoffentlich wieder viele Fans haben werden. Ich kann es jedenfalls kaum erwarten, auf die Strecke zu gehen und die Eau Rouge nach Möglichkeit schon in meiner ersten Runde voll zu nehmen. Das ist stets die grosse Herausforderung: Ist das drin oder nicht?

In der Formel 3 gingst du einmal Seite an Seite mit Adrian Sutil in die Eau Rouge. Kannst du beschreiben, wie besonders diese Strecke hier ist?

Das war vermutlich die beste Erfahrung, die ich jemals in Eau Rouge machte. Ich überholte Adrian auf der Aussenseite. Ich denke, nicht viele haben ein Überholmanöver auf der Außenseite der Eau Rouge durchgezogen. Das war spektakulär. Ich habe aber generell beste Erinnerungen an Spa. Dieser Kurs und auch die Fans waren immer gut zu mir. Ich freue mich auf das Rennen. Hoffentlich bleibt das Wetter stabil, doch in Spa ist es ja zweifelsohne immer wechselhaft. Das ist Spa. Gerade deswegen lieben wir es so sehr.

Welche speziellen Fähigkeiten braucht es hier in Spa?

Als Formel-1-Fahrer brauchst du auf alle Fälle Talent. Hier in Spa kommt hinzu, dass das Setup deines Autos perfekt stimmen muss. Tut es das nicht, wirst du im Rennen Probleme bekommen. Wichtig ist auch, besonders sanft zu fahren und die gesamte Strecke zu nutzen. Alles ist hier sehr flüssig. Wenn du nicht so einfach in einen Rhythmus kommst, wirst du hier Schwierigkeiten kriegen.

Du warst hier in der Vergangenheit schon sehr erfolgreich. Zweimal warst du Sieger, obwohl dir ein Sieg danach wieder aberkannt wurde. Eben diesen Sieg siehst du aber sicher nach wie vor als deinen Sieg...

So ist es (lacht).

Kannst du auch an diesem Wochenende den dritten Sieg in Spa einfahren?

Im Hinblick auf die Leistung unseres Teams ist zu sagen, dass Jenson und ich in den jüngsten Rennen ziemlich gut waren. Unser Team verbessert sich ständig und die Jungs in der Fabrik arbeiten unglaublich hart, damit wir unsere Leistung beibehalten können. Ich gehe daher fest davon aus, an diesem Wochenende konkurrenzfähig zu sein. Es wird interessant sein, zu sehen, was die anderen Rennställe an Neuerungen an den Start bringen werden. Ich fühle mich optimistisch. Für uns als Team wäre es klasse, mit einem grossartigen Gefühl aus der Sommerpause zurückzukehren, wo wir doch auf einem Höhepunkt in die Pause abbiegen konnten.

Anknüpfend daran: Wenn die Meisterschaft nun bei Null beginnen würde, wer würde deiner Meinung nach am Ende den Titel holen?

Wir wissen noch nicht einmal, wer die tatsächliche Meisterschaft gewinnen wird. Ich weiss es nicht. Es ist eine interessante Mischung. Ferrari ist ungeheuer schnell und Red Bull ist nach wie vor sehr konkurrenzfähig und auch konstant. Dann hätten wir da noch McLaren. Wir schienen in den vergangenen Rennen das Tempo vorzugeben. Ich möchte nicht, dass sich das verändert. Meiner Meinung nach hat auch das Team kein Interesse an einer Wachablösung. Wir rechnen eigentlich auch nicht damit.

Würdest du deshalb sagen, dass die Rennen in Spa, Monza und Singapur allesamt Events sind, auf denen du dich zu den Siegkandidaten zählst?


Das ist das Ziel, ja. Das denkt man aber über jedes bevorstehende Rennen. In den vergangenen fünf Rennen waren wir auf jeden Fall vorne mit dabei. Ich denke daher, dass wir gute Chancen haben sollten. Die anderen arbeiten sicher ähnlich hart wie wir, weshalb ich einen engen Kampf erwarte.

Wie gehst du die zweite Saisonphase an?

Darauf habe ich eigentlich keine Antwort, denn du weisst nie, was die richtige Herangehensweise ist. Da muss man in gewisser Weise spontan agieren. Grundsätzlich will ich jedes Rennen gewinnen, an dem ich teilnehme. Immer. In der zweiten Saisonphase möchte ich auf jeden Fall die perfekte Balance zwischen Aggressivität und Konservativität finden, damit wir mehr Siege einfahren können.

Ist das Titelrennen aus deiner Sicht noch offen? Oder nimmst du die restliche Saison einfach Rennen für Rennen und rechnest nebenher, wer an welcher Stelle ins Ziel kommen muss und dergleichen?

Ich habe keine Zeit damit verschwendet, darüber nachzudenken, was die Leute erreichen müssen. Ich nehme es Rennen für Rennen und schaue, was passiert. Hier in Spa kann es gut oder schlecht laufen. Es gibt so vieles, was Einflüsse auf die Ergebnisse haben kann. Nicht nur du selbst, sondern gewisse Umstände oder Entscheidungen des Teams. Wir müssen der Mannschaft einfach möglichst viel positive Energie zukommen lassen. Sie sind die Entscheidungsträger. Ich brauche ebenfalls viel Energie, um meine eigenen Entscheidungen zu treffen. Alles muss eben auf den Punkt zusammenpassen. Wenn uns das gelingt, ist alles prima. Bisher gelang uns das aber halt nicht immer. Wir waren in dieser Hinsicht nicht konstant genug. Daran arbeiten wir.

Hast du im Hinterkopf, dass du dir ab jetzt keine Fehler mehr leisten kannst?


Das wurde mir schon vor geraumer Zeit klar. Deswegen bin ich so entspannt. Was passiert, passiert. Wir werden im weiteren Verlauf dieser Saison sicherlich noch einige Hoch- und Tiefpunkte haben. So läuft es einfach. Könnten wir bei den restlichen Rennen konstant auf das Treppchen fahren, so wie das 2007 der Fall war, wäre das einfach klasse. Darauf haben wir es abgesehen.

Ist Sebastian Vettel überhaupt noch einholbar?

Ja, ich denke schon. Unmöglich ist es nicht. So eine Saison ist sehr anstrengend und unterm Strich kommt es darauf an, welche Kombination aus Fahrer und Team die beste ist. Ein Pilot kann diese Aufgabe nicht alleine stemmen, gleiches gilt für den Rennstall. Acht Rennen sind noch viel Holz. Ich fühle mich gut, wo wir nun in die zweite Saisonphase starten.

Demnächst steht die Rennpremiere in Indien auf dem Programm. Was kannst du uns darüber sagen?

Puh, dieses Rennen ist noch sehr weit weg. Ich kann nur sagen: Ich freue mich darauf, zu sehen, was sie dort gemacht haben. Ich war nun schon ein paar Mal in Indien und in ein paar Wochen werde ich erneut dorthin reisen. Ich bin schon sehr gespannt darauf, wieder einmal auf einer neuen Strecke anzutreten. Indien ist ein tolles Land mit unheimlich viel Raum für Wachstum. Ich bin sehr stolz darauf, bald an einem Ort zu sein, der Teil dieses Wachstums ist. Hoffentlich wird all dies eine positive Auswirkung auf Indien als Ganzes haben.

Wie hast du eigentlich die Sommerpause verbracht? Konntest du deine Akkus aufladen?

Mehr könnte ich meine Akkus gar nicht aufladen, um ehrlich zu sein. Ich hatte meinen besten Sommer überhaupt. Jedes Jahr habe ich einen noch besseren Sommer als im jeweils vergangenen Jahr. Mein Sommer 2012 sollte also noch einmal besser sein. Dieses Mal war es jedenfalls richtig toll. Ich hatte viel Spass, konnte aber auch gut entspannen und Energie tanken. Ich blieb den Medien fern und sie hielten sich fern von mir. Ich führte gewissermassen ein normales Leben.

Michael Schumacher begeht an diesem Wochenende sein 20-jähriges Formel-1-Jubiläum. Wann hast du bemerkt, dass es da einen Deutschen dieses Namens gibt?

Ich begann 1991 oder 1992 damit, die Formel 1 zu verfolgen. Damals war ich sechs Jahre alt und 1991 fiel mir Michael nicht so sehr auf, denke ich. Als er den gelben Rennanzug trug, änderte sich das. Danach fuhr er im Benetton gegen Ayrton. Im Prinzip verfolgte ich seine gesamte Karriere. Das Verrückte ist: Ich war gerade einmal im Kartsport unterwegs, als er seine Formel-1-Karriere begann. Jetzt bin ich hier. Das zeigt einfach nur, wie alt er ist (lacht).

Wie lange wird deine Energie reichen? Ebenfalls für 20 Jahre?

Nein. Ich habe ja schon jetzt zu kämpfen - und das nach nur fünf Jahren (lacht). Nein, nein. Ich plane nicht, hier 20 Jahre lang am Start zu sein. Jetzt, wo ich meine fünfte Saison in der Formel 1 bestreite, sehe ich mich aber durchaus dazu in der Lage, noch weitere zehn Jahre hier zu verbringen. Auf diesen Rekord habe ich es jedenfalls nicht abgesehen. Ich würde ihm gerne ganz andere Rekorde abjagen.

Noch einmal zurück zu vor 20 Jahren. Kannst du dich daran erinnern, was du damals getan hast?

Ich war damals noch sehr jung und vielleicht habe ich noch ins Bett gemacht (lacht). Damals hatte ich ferngesteuerte Autos, kleine Formel-1-Fahrzeuge, die ich über Kurse im Freien rasen liess. Ich wusste aber nicht, was die Zukunft für mich bereithalten würde.

26.8.2011