Wenn es Nacht wird in Singapur

Waren Sie schon mal in Singapur? Nein? Ich war dort. Vor vielen vielen Jahren. Eine bezaubernde Stadt, dieser Stadtstaat Singapur. Alles, aber auch wirklich alles, findet das Herz in dieser Metropole Asiens, was es begehrt.

Singapur ist im wahrsten Sinne des Wortes ein heisses Pflaster. Westliche Besucher spüren dies, wenn sie - kaum angekommen auf dem schwer bewachten Flughafen - das Flughafengebäude verlassen und nach einem Taxi Ausschau halten. In Sekundenschnelle lässt die unerbittliche Glutofenhitze die Schweissdrüsen im Rekordtempo arbeiten und bevor man ins Taxi steigt, kleben einem die Kleider bereits am schweissnassen Körper. Die Taxifahrer kennen in der Regel in ihren Autos nur eine Stufe für die Klimaanlage: die höchste. Das führt nicht selten zu unangenehmen Erkältungserscheinungen, wenn man nach einer Stunde Schleichfahrt in der fernöstlichen Rush-Hour endlich im Hotel ankommt.

Dafür lassen aber die Hotels in Singapur auch für westliche Gäste kaum Wünsche offen. Erwacht man am nächsten Morgen, nimmt man mit Erstaunen wahr, dass unter der Tür diverse Visitenkarten durchgeschoben wurden. Allesamt von reizenden Damen, die dem interessierten Besucher ihre Dienste anbieten. Im Badezimmer kann es trotz 5-Sterne-Komfort durchaus vorkommen, dass die Toilette am frühen Morgen mit fetten Kakerlaken überfüllt ist, die sich anscheinend in der Schwüle der Kanalisationsrohre wohl fühlen. Die eine oder andere dieser unangenehmen Spezies ist auch im Lavabo oder in der Badewanne zu sichten. Wohlverstanden! Ich rede hier nicht von einer Klitsche, sondern vom Shangri-La-Hotel, einem 5-Sterne-Bunker.

SchweizerInnen fühlen sich vor allem an der Orchard Road in Singapur wohl, trifft man dort doch überall auf Niederlassungen von Schweizer Unternehmen. Richtig interessant jedoch wird's im inzwischen geschützten «Altstadt»-Viertel, das leider innerhalb der letzten 20 Jahre um mehr als die Hälfte geschrumpft ist, weil sich ein Wolkenkratzer nach dem andern dort breit machte. Die Vielfalt der verschiedenen Ethnien, die auf kleinstem Raum in Singapur zusammenleben, fällt auf. Die Strassenküchen sind für jeden Touristen nicht nur ein Must, sondern auch eine willkommene und vor allem preiswerte Alternative zum Food-Angebot der Hotels und Restaurants. Wer auf exotische Speisen steht, findet hier so ziemlich alles, was der Magen begehrt. Selbst ein Snake-Restaurant, das allerdings von westlichen Besuchern ziemlich viel Überwindung verlangt, werden doch die bedauernswerten Ringelnattern lebendigen Leibes in einen Topf mit siedend heissem Öl geworfen, damit das Fleisch auch schön weiss auf dem Teller serviert werden kann. Und dies vor den Augen des Gastes, der diese etwas gewöhnungsbedürftige Spezialität bestellt hat.

Zu behaupten, Singapur hätte das Litterung auf seinen Strassen gelöst, wäre eine Übertreibung. Aber drakonische Geldstrafen führen dazu, dass sich jederman zweimal überlegt, den Kaugummi auf die Strasse zu spucken oder in den nächsten Abfallkübel zu schmeissen. Das harte Littering-Regime Singapurs hat immerhin dazu geführt, dass die von Sir Thomas Stamford Raffles – nach dem ein sensationelles Hotel benannt ist, das ich noch in seiner alten Pracht bewundern durfte – gegründete Stadt als «sauberste Stadt» Asiens bezeichnet wird. Und das ist doch auch was wert, oder?

Text: Joseph Birrer

Background-Sound: «She Wolf» von Shakira