Rolls Royce Phantom: Glanz & Gloria

Nur wenige haben ihn überhaupt schon einmal mit eigenen Augen gesehen. Und wer hinter dem Steuer Platz genommen hat, lässt huldvoll ein paar Gedenksekunden verstreichen, ehe er die dunkel schimmernde Luxuskarosse britischer Herkunft mit einem Knopfdruck startet. Ein Rolls-Royce ist für viele nach wie vor die Krone der Automobilkunst.

Wer an die rollenden Sänften mit der glitzernden Kühlerfigur Spirit of Ecstasy (Emily) denkt, dem kommen unweigerlich Königshäuser, Filmstars und die oberen 500 in den Sinn. Die Briten mit dem traditionsreichen Produktionsstandort Crewe sind seit 2003 in bayrischer Hand und krönen die BMW-Baureihe auf eine ganz besondere Art und Weise.

Man muss sich beim Anblick des 5,83 Meter langen Rolls-Royce Phantom nicht über Gebühr mit Gewöhnlichem beschäftigen. Nahezu alles am Phantom ist ungewöhnlich. Anders als Mercedes mit seinem Luxusableger Maybach hat es BMW geschafft, das Luxusschiff gegenüber der üblichen Modellfamilie abzugrenzen. Wer einen der wenigen Phantom auf Schweizer Strassen sieht, dem kommt vieles in den Kopf, aber kein BMW-Logo. Die nicht enden wollende Motorhaube, der Spiegelsaal-Kühlergrill oder das sanft zulaufende Hinterteil scheinen nicht von dieser Autowelt. Türgriffe, die sich anfassen wie Goldbarren, ein Langflorteppich, der die eigenen Füsse fast verschwinden lässt sowie eine Orgie aus Leder und Holz machen es einem schwer, die Fassung zu bewahren.

Dieses Traumschiff mit dem lieblosen Begriff «Automobil» zu bezeichnen, würde an Blasphemie grenzen – gerade so, als würde man der Queen beim Staatsbesuch mit einem "Na, Du altes Haus" auf die Schulter klopfen. Der Rolls-Royce Phantom ist eine rollende Festung, eine Trutzburg gegen Lärm und Pöbel, der an der Ampelkreuzung im schnöden Audi A6, Opel Astra oder Porsche Boxster neben einem steht. Der eindrucksvolle äussere Schein findet im Inneren seine Fortsetzung.

Steuer aus der Steinzeit

Dem Chauffeur fällt sofort das gertenschlanke Lenkrad auf, das die Finger scheinbar mehrfach umschliessen können. So dünn waren die Steuereinheiten allenfalls bis in die 70er-Jahre hinein. Für das hölzerne Armaturenbrett scheinen ganze Waldstücke der Säge zum Opfer gefallen zu sein. Die Instrumente selbst sind nüchtern, unspektakulär und übersichtlich. Die Klimaanlage bläst einem die Kaltluft beim Start fast schon bissig ins Gesicht. Über verchromte Drücker kann man die Windrichtung beeinflussen und für allgemeines Wohlbefinden bei den Insassen sorgen. Die Suche nach der Sitzverstellung dauert eine Weile. Sie sind ebenso versteckt wie ungünstig hinter einer Klappe der Mittelarmlehne positioniert. Man sitzt bequem und teuer. Das weiche Glattleder verführt auch mit zartem Duft.

Wichtiger als die erste Reihe ist die zweite – dort wo Prominente und Gekrönte gewöhnlich Platz nehmen. Hinter den sich gegenläufig öffnenden Fondtüren befindet sich ein edel verkleidetes Refugium – eine rollende Kammer für die ruhigen Momente des Alltags. Per Knopfdruck schliessen sich Vorhänge rundherum elektrisch. Die Sitze sind Dank eines Radstandes von 3,47 Metern wie kaum anders zu erwarten komfortabel, aber nicht elektrisch verstellbar.

Maybach-Fond bietet mehr

Keine beheiz- und belüftbaren Liegewiesen, die einem auf Wunsch noch den Rücken massieren wie im Maybach 57 oder 62. Diese Funktionen sind ebenfalls verfügbar, müssen jedoch speziell geordert werden. Dafür gibt es in den unvorstellbarerweise mechanisch zu verstellenden Kopfstützen ein eingesticktes RR-Signet. Sicher auch ein guter Platz für die familieneigenen Intarsien.

Der Mann mit der Mütze

Der Rolls-Royce ist kein Fahrerauto. Wer in ihm unterwegs ist, dem geht es kaum um Lenkung, Bremsen, Wanken und das Fahrgefühl. Wenn der Phantom nicht gut fährt, dann hat das seinen Grund: den bald arbeitslosen Chauffeur. Der soll einem nicht nur schneidig die Tür öffnen, sondern auch sicher und kommod ans Ziel seiner Träume bringen. Dass er sich mit der leichtgängigen und unpräzisen Lenkung auseinanderzusetzen hat, interessiert von den Herrschaften kaum jemanden.

So heisst es dann auch nicht allzu schnell in die Kurven zu stechen, denn das tonnenschwere Schlachtross nickt und wankt spürbar. Im Rolls sollte man ohne Hast und Eile reisen – und das kann man im Phantom wie auf einer Sänfte geniessen.

Liebe zum Detail

Rolls-Royce hat schon immer auf jede Kleinigkeit Wert gelegt. Dem mag es geschuldet sein, dass der Hubraum wie schon in den 60ern mit 6,75 Litern angegeben wird. Aus exakt 6749 Kubikzentimetern Brennraum holt der niemals zu vernehmende Zwölfzylinder 460 PS und 720 Nm maximales Drehmoment. Hört sich spektakulärer an als es sich fährt. Ob es nun das gewaltige Leergewicht von rund 2,5 Tonnen oder die überaus sanft schaltende Automatik ist: man wird das Gefühl nicht los, dass der Deutsch-Brite etwas mehr Moët unter der Motorhaube gut vertragen könnte. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Weder Fahrer noch Gefahrener werden jemals das Gefühl haben, schlapp unterwegs zu sein. Aber kraftvoll und bullig präsentiert sich der Rolls in kaum einem Drehzahlbereich.

Die Kundschaft dürfte darüber bislang wohl kaum geklagt haben. Man will mit der Traumlimousine des dritten Jahrtausends schliesslich in erster Linie Eines, nämlich repräsentieren. Und dafür dürften eine Höchstgeschwindigkeit von 240 km/h und ein Spurtpotenzial von 0 auf 100 km/h in knapp sechs Sekunden durchaus genügen. Durchschnittlich soll der Phantom mit 15,9 Litern Super Plus auskommen. Der CO2-Ausstoss liegt bei 385 g/km.

Über Geld spricht man nicht

Über die Kosten für das Vergnügen, einen Rolls-Royce Phantom zu fahren, werden die meisten Inhaber den Mantel des Schweigens hüllen. Der Basispreis von 385'000 Euro dürfte dabei in den meisten Fällen wenig aussagekräftig sein. Schliesslich schlagen Staffage und exklusive Sonderwünsche mächtig ins Kontor. Dabei geht es nicht um Nichtigkeiten wie ein DVD-Entertainmentsystem oder eine elektrische Sitzverstellung. Das bekommt man längst auch in der Normalo-Klasse. Doch das Familienwappen, eine besonders exklusive Holzsorte oder eine andere Form des Aschenbechers sind Sonderwünsche, mit denen die Individualisierungsabteilung in Crewe einiges zu tun hat. Kommt vielleicht noch eine Panzerung hinzu oder darf es doch der verlängerte Radstand sein – die Kosten lassen sich spielerisch in astronomische Höhen treiben. Immerhin ist die Kühlerfigur Spirit of Ecstacy serienmässig, die sich per Knopfdruck im Kühlergrill versteckt.

Wer noch auf seinen ersten Rolls-Royce spart, kann übrigens hoffen. Nach dem neuen Drophead Coupé, das im Sommer auf den Markt kommt, steht ein kleiner Phantom auf dem Plan. Er dürfte wohl zwischen 200'000 und 300'000 Euro kosten.

Rund 50 Prozent der bislang 3000 Kunden kommen aus den USA. In Europa bleiben 20 Prozent und im Mittleren Osten rund 15 Prozent der Phantom-Modelle.

Die Krone auf Erden

Der automobile Traum hat seit frühester Automobilzeit einen Namen: Rolls-Royce. Das hat sich auch beim aktuellen Modell nicht geändert. Der Phantom kreiert seine eigene mobile Traumfabrik, die mit dem gewöhnlichen Strassenverkehr nicht viel gemein hat. Wer einen Rolls-Royce auf der Strasse sieht, kommt ins Schwärmen und denkt an die Welt, der man zumindest für ein paar Tage gerne einmal teilhaftig sein möchte. Über seinen Wert oder gar den Sinn eines solchen Fahrzeugs zu diskutieren, ist sinnlos. Denn der Markt für solch exklusive Träume ist da – heute mehr denn je.

Plus und Minus

+ grandioses Image
+ exzellente Verarbeitung
+ grenzenlose Optionsliste
+ opulentes Platzangebot

wenig sportlicher Motor
Liegesitze im Fond nicht serienmäßig
schwammige Lenkung

Na denn, nix wie hin zur erstbesten Rolls Royce-Vertretung. Die Lieferfristen sind - je nach Länge der Extraliste an Spazialwünschen, exorbitant. Dafür aber ist Ihnen ein Auftritt bei Glanz & Gloria sicher. Definitiv. Falls Sie es nicht glaube, fragen Sie «Hausi» Leutenegger. Der rüstige Senior ist Dauergast bei SF TV. Und dies sicher nicht wegen seinem scheusslichen Toupet. Nein, der Phantom macht's!

25.7.2010