Vettels Party: Doch nicht Tony Marshall

"Viel Wasser trinken", hat Physiotherapeut Tommi Pärmäkoski seinem Schützling Sebastian Vettel für die Weltmeister-Partynacht in Suzuka als Tipp mitgegeben. Das hat der Red-Bull-Pilot ebenso beherzigt wie den Ratschlag, es nicht zu übertreiben: "Immerhin geht es diese Woche in Südkorea schon wieder weiter!"

Kurz wurde dann aber doch gefeiert: Erst mit dem Team an der Boxenmauer (unter dem Jubel der selbst am Abend immer noch bis auf den letzten Platz voll besetzten Haupttribüne), dann in einem Irish Pub in der Nähe der Strecke. "Die Karaokemaschine wurde angeschmissen und wir hatten unseren Spass", grinst Vettel gegenüber der 'Sport Bild'. Dabei begab er sich auf Michael Schumachers Spuren: "Ich habe 'My Way' von Frank Sinatra gesungen." Also doch nicht Tony Marshall, wie beim Interview vor dem Rennen mit Kai Ebel von RTL angekündigt.

Wenig Schlaf, beste Laune

Dass dabei auch das ein oder andere Gläschen (und nicht nur Wasser) geflossen sein dürfte, hörte man bei der Infiniti-Pressekonferenz in Yokohama, wo Vettel gemeinsam mit Teamchef Christian Horner und Stardesigner Adrian Newey über seinen zweiten WM-Titel sprach. Die kleinen Augen zeugten davon, dass die Partynacht ein Erfolg war ("Geschlafen habe ich nicht viel"), aber die Laune war bei allen drei bestens.

In Deutschland haben von Angela Merkel bis Joachim Löw zahlreiche Prominente gratuliert. Auch ins ferne Japan verirrten sich Glückwünsche: "Ich habe schon über 100 SMS bekommen. Telefoniert habe ich noch nicht so viel - immerhin habe ich in den letzten 20 Stunden mehr geredet als in den ersten vier Jahren meines Lebens!" Für ein Telefonat mit Dietrich Mateschitz, der den WM-Titel auf einer Almhütte in Österreich feierte, nahm sich Vettel aber Zeit. Besonders gefreut hat er sich über eine SMS von Michael Schumacher: "Wenn man bedenkt, dass er der Held meiner Kindheit war, ist eine SMS von ihm schon etwas ganz Spezielles", schwärmt der 24-Jährige über seinen 42-jährigen Landsmann und Freund. "Ich habe Michael gestern Abend auch noch gesehen und mit ihm angestossen. Das ist schon etwas Spezielles." Kleine Randnotiz: Zusammen haben sie neun deutsche Titel geholt!

Lieber doppelter als jüngster Weltmeister

1995 war Schumacher noch jüngster Doppelweltmeister der Formel-1-Geschichte, jetzt ist es also Vettel. Aber: "Jüngster zu sein ist nicht so entscheidend. Doppelt gemoppelt hält besser", grinst er spitzbübisch. "Es ist schwer, es in Worte zu fassen. Es steckt so viel Arbeit dahinter, auch wenn es von außen den Anschein hat, es sei einfach gewesen. Es gab durchaus Phasen, in denen wir uns schwer taten. Wir haben es aber nicht gezeigt. Als Team unterliefen uns in diesem Jahr wenige Fehler", sagt der in der Schweiz lebende Heppenheimer nicht ohne Stolz und unterstreicht: "Wir behielten stets unseren Kurs bei. Wir verfolgten unser Ziel immer mit sehr viel Disziplin. So erreichten wir in Japan, was wir uns zu Saisonbeginn vorgenommen hatten. Auch wenn es für viele Leute wahrscheinlich zu sein schien, fühlten wir uns nie zu sicher."

Angezogene Handbremse nie ein Thema

Auf Platz zehn loszugehen, kam ihm vor Suzuka nie in den Sinn: "Würde man mit einem solchen Gedanken ins Rennen gehen, dann wäre man wahrscheinlich mit angezogener Handbremse unterwegs", glaubt Vettel. "Ich pfefferte vor diesem Wochenende auch alles direkt in den Müll, was ich als zweimaliger Weltmeister hätte unterschreiben sollen. Ich denke, es war wichtig, sich erst einmal nicht damit zu beschäftigen." So wirkte er dann auch fast ein bisschen sauer, als er von den 'Sky'-Kollegen ein vorbereitetes T-Shirt geschenkt bekam, schliesslich war dieses ganz offensichtlich schon vor dem Rennwochenende angefertigt worden. Aber Vettel geht im Moment anderes durch den Kopf: "Das gesamte Team konzentrierte sich auf dieses eine Ziel. Und nach der Zieldurchfahrt dachte ich: 'Wow, jetzt haben wir den Titel eingefahren!' Darüber denken wir nun erst einmal in Ruhe nach. Ich hätte mir jedenfalls nie träumen lassen, einmal Weltmeister zu sein. Jetzt bin ich bereits zweimaliger Champion. Darauf bin ich stolz, aber das war überhaupt nicht abzusehen", kneift er sich. "Ich darf mich sicher glücklich schätzen, all dies zu erleben. Für uns Fahrer kann es doch kaum besser kommen: In Japan hatten wir Sonnenschein, volle Tribünen, alle waren gespannt und aufgeregt - darum geht es im Leben, denke ich. Das gesamte Jahr war ein Traum für uns."

Dank an die Familie

Und dann ist da noch der Dank an die Familie, die darauf achtet, dass er den Boden nicht unter den Füßen verliert: "Meine Kindheit war sehr schön", sagt Vettel. "Ich kann mich sehr gut daran erinnern. Wir hatten alle immer unseren Spass. Ich habe noch sehr viele Freunde aus der damaligen Zeit. Vielleicht hat nicht jeder das Glück und vielleicht kommt es nicht für alle so zusammen, dass er sein Hobby irgendwann zum Beruf machen kann. Du kannst es gar nicht in Worte fassen, was es bedeutet, hier zu stehen, am anderen Ende der Welt, um den zweiten WM-Titel zu feiern", philosophiert er und betont: "Viel wichtiger ist in meinen Augen, zurückzuschauen und sich an dem zu erfreuen, was man sieht. Natürlich gab man viel und opferte einiges, doch es war, so glaube ich, keine Quälerei. Wir konnten die Zeit auch geniessen und hatten sehr viel Spass. Das schweisste uns alle zusammen."

11.10.2011