Montezemolo nimmt Teamchef in Schutz

Montezemolo mit Stefano Domenicali:

Luca di Montezemolo will seine Mannschaft wieder als Titelträger sehen

Das Formel-1-Wochenende in Monza ist eine grosse Ferrari-Party - unabhängig vom sportlichen Ergebnis am Sonntag. Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo nennt den Event "Wochenende der Leidenschaft". Der Italiener würde seine roten Autos gern ganz vorne sehen, gibt sich aber realistisch. Der große Agriff aus Maranello soll 2012 erfolgen. Wie Montezemolo sich den Aufschwung vorstellt und viele weitere Auskünfte gab der charismatische Italiener im Fahrerlager von Monza.

Frage: Luca di Montezemolo, hat Ferrari Interesse an Adrian Newey?

Luca di Montezemolo: Ja, natürlich. Aber das ist jetzt nicht anders als in den 20 Jahren zuvor auch. Wir wollen immer die besten Techniker und die besten Fahrer. Ich respektiere die Arbeit von Adrian Newey sehr, aber ich bin sicher, dass auch unsere Leute ein tolles Auto bauen können. Ich kenne meine Leute. Man darf nicht vergessen, wie viele Titel wir in den zurückliegenden elf Jahren gewonnen haben. Ich halte sehr viel von Newey, aber ich bin mit unseren Leuten zufrieden. Wir haben mit Fernando den wohl allerbesten Fahrer an Bord und ich bin sehr froh, dass wir in der zweiten Saisonhälfte eine starke Reaktion von Felipe sehen.

Wird Ferrari an Teamchef Stefano Domenicali festhalten? Wird es womöglich Veränderungen geben?

2007 haben wir den Titel geholt, im Jahr darauf haben wir die Weltmeisterschaft in der letzten Kurve beim letzten Saisonrennen verloren. Man darf eines niemals vergessen: Seit 1997 haben wir - mit Ausnahme von 2005 und 2009 - den Titel entweder immer geholt oder im allerletzten Rennen erst knapp verpasst. Ferrari war immer vorne dabei. Red Bull, McLaren, Renault und alle weiteren - ich respektiere sie alle. Aber nur wir waren immer ganz vorne dabei. Als Jean Todt das Unternehmen verliess, da ging eine Ära zu Ende. Wir haben eine neue gestartet, mit neuen Leuten und einer neuen Mentalität. Es gibt sicherlich an einigen Stellen etwas zu verbessern, aber Stefano Domenicali geniesst mein vollstes Vertrauen. Ganz einfach Antwort: Ja! Wir werden an ihm festhalten.

Auch in Monza waren am Freitag nicht mehr so viele Zuschauer wie in den Jahren zuvor. Woran liegt das?

Wir haben in diesem Jahr tolle Rennen, die kaum vorhersagbar sind. Es gibt ausserdem viele Überholmögichkeiten, wobei ich aber meine, dass wir da ein gesundes Mass finden müssen. Die Fans können das manchmal gar nicht mehr alles nachvollziehen. Man kann das alles am TV besser verstehen als vor Ort. Insgesamt war es aber sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Ich möchte Fans erleben, die ihren Spass auf den Tribünen haben, die leidenschaftlich sind und im besten Fall Ferrari-Flaggen schwenken. Wir müssen einfach bei den Eintrittspreisen realistische Werte haben. Ich bin dennoch davon überzeugt, dass wir hier am Sonntag volle Tribünen sehen werden.

Wie sehen sie den Schritt der Formel 1 in immer neue Märkte?

Ich finde das sehr gut und sehr wichtig. Seit einiger Zeit fahren wir in China, bald geht es nach Indien, dann kommt auch Russland dazu. Nicht zu vergessen: Im kommenden Jahr kehren wir in die USA zurück. Das alles ist enorm wichtig. Die Formel 1 ist immer internationaler geworden. Dennoch müssen wir bezüglich der Strecken aufpassen, dass wir die passende Mischung aus Tradition und neuen Strecken finden.

Was erwarten sie in Zukunft von Ferrari?

Wir wollen einfach wieder richtig durchstarten. Wir haben in den vergangenen Jahren viel zu häufig den Titel im allerletzten Saisonrennen verloren. Man muss sich nur mal an die Geschichten mit Felipe 2008 oder mit Fernando in Abu Dhabi im vergangenen Jahr erinnern. Ich erwarte einfach ein konkurrenzfähiges Auto auf Grundlage von ganz klaren Regeln - nicht so wie 2009. Im Rahmen eines klar definierten Regelwerks müssen wir ein schnelles Auto herstellen.

Teamchef Domenicali hat sogar gleich eine neue Siegesära für Ferrari angekündigt, was für einige Diskussionen sorgte. Was sagen sie dazu?

Ich bin sehr froh, dass unser Teamchef so viel Zuversicht versprüht. Das ist doch nur ein Zeichen dafür, dass er der festen Überzeugung ist, dass die Leistungen stimmen werden.

Sie haben vor vielen Monaten die Idee zum Einsatz eines dritten Autos propagiert. Halten sie daran immer noch fest?

Ich werde mich auch weiter dafür einsetzen, und zwar aus drei Gründen. Erstens: Der Abstand zwischen den besten fünf oder sechs Teams und dem Rest ist extrem gross. Zweitens verschlingt die Entwicklung bei den neuen Teams und deren Aufbau viel Geld. Drittens: Ich finde es wichtig, dass neue Fahrer eine Chance im guten Auto bekommen. Als Giancarlo Baghetti sein allererstes Rennen im Ferrari in Reims gewann, da war er in einem privat eingesetzten Fahrzeug von uns unterwegs. Wenn neue Teams Fahrzeuge von anderen Herstellern einsetzen dürfen, dann sparen diese Teams viel Zeit, sie sind konkurrenzfähig und können jungen Piloten leichter mal eine Chance geben. Wir haben in unserer Ferrari-Driver-Academy viele junge Talente, die überhaupt keine Chance haben, mal ein aktuelles Formel-1-Auto zu fahren. Es gibt keine Tests mehr. Es gibt derzeit keine professionelle Vorbereitung für Rookies. Wir haben Teams, die fünf Sekunden hinter den Besten herfahren, wir haben Teams mit ernsthaften wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Für mich wäre ein drittes Auto in Händen der kleineren Teams einfach eine denkbare Lösung. Ich gebe mein Bestes, damit sich diese Idee durchsetzt.

10.9.2011







Frage: "Es gab in den vergangenen Monaten immer wieder Gerüchte, dass sie sich womöglich in Richtung Politik verabschieden könnten..."
Di Montezemolo: "Ich bin so dermaßen viel mit Ferrari beschäftigt. Gestern ging es um den neuen 458 Spider, nun ist das 'Wochenende der Leidenschaft' - so wie ich das Monza-Rennwochenende nenne, am Montag fliege ich dann zur IAA nach Frankfurt. Ich verbringe sehr viel Zeit im Sinne von Ferrari. Am allermeisten liegt mir allerdings am Herzen, dass wir im kommenden Jahr wieder den Titel in der Formel 1 gewinnen."
Frage: "Wie stehen sie zur Entwicklung in der Formel 1 in Richtung Hybridtechnik, Elektroantriebe und Umweltbewusstsein?"
Di Montezemolo: "In der Formel 1 geht es immer um Toptechnologie, allerdings im Sinne von Höchstleistungen. Wir achten auf Benzinverbrauch, wir achten auf Umweltaspekte, wir nehmen uns relevanter Technologien an - alles schön und gut. Was ich an der aktuellen Formel 1 überhaupt nicht mag ist, dass ich heutzutage alle Daten meines Motors an den Verband geben muss. Da haben plötzlich Leute Zugriff auf interne Daten meines Autos. So etwas mag ich gar nicht. Wir machen Formel 1, weil wir für den Autobau relevante Techniken entwickeln. Schaut euch die vergangenen 15 Jahre an: Drive-by-Wire-Systeme, KERS, Getriebetechnik, CFD-Technologie - all diese Dinge sind heutzutage beim Bau von Straßenautos ganz normal. Wenn es darum geht, dann sehe ich die Formel 1 allerdings niemals mit Elektromotoren fahren. Das ist etwas für kleine Stadtflitzer, aber sonst nichts."