Noida: Begeisterung und Skepsis

Noida präsentiert sich zum Erstaunen

vieler Beteiligten im fahrbereiten Zustand

Nach rund zweijähriger Bauzeit erlebt der Buddh International Circuit in Noida vor den Toren der indischen Hauptstadt Delhi am Wochenende seine Formel-1-Premiere. Der von Hermann Tilke entworfene und für rund 150 Millionen Euro aus dem Boden gestampfte Kurs wurde erst vor wenigen Tagen offiziell eröffnet und präsentiert sich bei der Ankunft des Formel-1-Tross noch nicht in astreinem Zustand. Vom abwechslungsreichen Streckenverlauf zeigen sich jedoch alle Beteiligten ausgesprochen angetan.

"Die Strecke ist noch recht schmutzig, aber sie scheint schnell und interessant zu fahren zu sein", urteilt Toro-Rosso-Pilot Sebastien Buemi nach seiner ersten Besichtigungsrunde zu Fuss. McLaren-Pilot Jenson Button bläst ins gleiche Horn: "Für einen Tilke-Kurs ist das Layout recht ungewöhnlich. Die Strecke sieht sehr schnell aus und es gibt eine Menge schneller Kurven, was immer gut ist, denn heutzutage gibt es nicht mehr allzu viele davon." Mit einer errechneten Durchschnittsgeschwindigkeit von 235 km/h ist Noida nach Monza die zweitschnellste Strecke im aktuellen Formel-1-Kalender. "Der Kurs scheint eine grosse Herausforderung zu sein", so Button, der am Übergang vom zweiten zum dritten Sektor besonderen Gefallen findet: "Die Passage zwischen Turn 9 und Turn 15 ist sehr schnell. Das ist ein toller Abschnitt der Strecke, auf den ich mich schon sehr freue." Laut dem McLaren-Piloten gibt es "hier und da noch ein paar Stellen, die die Fahrer ansprechen werden oder bereits angesprochen haben", womit er sich in erster Linie auf die Randsteine bezieht. "Was das Layout betrifft, kann ich nur sagen, dass gute Arbeit geleistet wurde."

Webber lobt Kreativität beim Streckenbau

"Die Strecke sieht wirklich toll aus", urteilt auch Red-Bull-Pilot Mark Webber und präzisiert: "Beim Bau wurde sehr viel Kreativität an den Tag gelegt. Der Kurs besitzt einen guten Mix aus unterschiedlichsten Kurven." Speziell die verschieden breite Strecke hat es dem Australier angetan. An den Kurveneingängen ist der Kurs stellenweise mehr als 20 Meter breit. An den Scheitelpunkten und Ausgängen einiger Kurven verringert sich die Pistenbreite. "Das macht es für uns Fahrer besonders interessant, da wir es hier anders als sonst nicht mit einer konstanten Streckenbreite zu tun haben", so Webber. Sobald sich der Staub einmal gelegt hat, erwartet der Red-Bull-Pilot keine schwerwiegenden Probleme. "Nach zwei Tagen sollte die Strecke über ein vernünftiges Griplevel auf der Ideallinie verfügen. Welche Auswirkungen die unterschiedliche Streckenbreite auf den Rennverlauf hat, wird sich erst am Sonntag zeigen, da wir vorher nicht im Pulk unterwegs sein werden." Als markantesten Punkt der Strecke macht Webber die Haarnadel vor der Gegengeraden aus. "Turn 3 ist die extremste Kurve von allen", so der Australier. "Die Anfahrt ist sehr breit und führt noch dazu bergauf. Der Scheitelpunkt der Kurve liegt deutlich höher als der Rest, was einem fast das Gefühl einer Motocross-Piste vermittelt. Ich finde diese Kurve grossartig." Zweifel hegt der Red-Bull-Pilot lediglich für den unwahrscheinlichen Fall, dass Regen einsetzen sollte. "Ich habe keine Ahnung, wie sich die Drainage dort präsentieren wird, sollte es auf diesem Hügel regnen. Hoffentlich regnet es in Indien nicht allzu oft, sodass man derartige Risiken beim Streckenbau eingehen kann."

Ecclestone findet die Strecke "super"

Renault-Chefingenieur Alan Permane ist vom Layout der Strecke und dessen Umsetzung ebenfalls beeindruckt: "Es ist ein richtig toller Kurs, der von allem ein bisschen beinhaltet. Es gibt einige nette schnelle Kurven, Höhenwechsel und Gefälle. Einige Details sind sehr interessant. Die langsamen Kurven nach den langen Geraden, die sich zum Ausgang hin verengen, sollten das Überholen mit dem verstellbaren Heckflügel begünstigen." Die Randsteine sollten den Teams und Fahrern laut Permane keine Schwierigkeiten bereiten, da sie "recht niedrig sind und das übliche Profil haben". Hinter den eigentlichen Kerbs warten etwas höhere Randsteine auf die Piloten, die ein Abkürzen in den Kurven verhindern sollen. "Diese sind aber nicht zu gross, als dass sie Schäden am Chassis hervorrufen könnten, wenn es einmal schiefgeht. Das ist immer eine unserer grössten Sorgen", so der Renault-Chefingenieur. Formel-1-Zampano Bernie Ecclestone bezeichnet den Kurs nach seiner ersten Begehung nach der Fertigstellung gegenüber 'Reuters' als "super". "Es wurde alles umgesetzt, das wir innerhalb der zwei, drei Jahre seit der Vertragsunterzeichnung verlangt haben", so der Brite, der gewohnt trocken anfügt: "In Silverstone hat es 25 Jahre gedauert. So gesehen wurde hier ein guter Job gemacht." Der dreifache Ex-Weltmeister Jackie Stewart zeigt sich im Anschluss an seinen ersten Besuch ebenfalls beeindruckt: "Wenn du auf das Gelände fährst, haut die die Grösse der Anlage schier um", so der Schotte gegenüber 'Reuters'. "In meinen Augen ist die Strecke wunderbar. Sie verkörpert für mich die Neue Welt."

Infrastruktur noch mit Mängeln

Im Gegensatz zum Pistenverlauf ist die Infrastruktur allerdings noch nicht frei von Mängeln. Während der offiziellen FIA-Pressekonferenz am Donnerstag gab es einen Stromausfall, der dazu führte, dass Felipe Massa, Michael Schumacher, Rubens Barrichello, Adrian Sutil, Jarno Trulli und Narain Karthikeyan rund 30 Sekunden lang im Dunkeln sassen. Im Fahrerlager sowie im Pressezentrum quittierten zudem einige der Wasserhähne und Toilettenspülungen ihren Dienst. Dass in einigen Gebäuden sogar Ratten und Fledermäuse gesichtet wurden, stiess ebenfalls auf wenig Begeisterung. In Bezug auf die mit bereits als "Stairway to heaven" bezeichnete Treppe am Hauptgebäude der Boxenanlage gibt es ebenfalls noch Nachbesserungsbedarf. Die Treppe führt bis zum obersten Stockwerk und endet dort unmittelbar vor einer Brüstung...

Vicky Chandhok, Vater von Lotus-Testfahrer Karun Chandhok und seines Zeichens Vorsitzender des Indischen Motorsportverbandes betrachtet den Buddh International Circuit als "neugeborenes Kind, das erst noch grossgezogen werden muss". "Wir alle müssen hier und da noch ein paar Unzulänglichkeiten in Kauf nehmen, aber der Wille ist zumindest da. Das ist das Wichtigste", wird Chandhok von 'Reuters' zitiert. Nach Aussage des Inders gab es nicht einen Teamchef im Fahrerlager, der nicht zu ihm gekommen wäre und betont hätte, welch tolle Strecke in Noida aus dem Boden gestampft wurde. Für das kommende Jahr sieht Chandhok eine typische indische Gestaltung des Fahrerlagers vor. "Im Moment könnte die Anlage überall auf der Welt stehen", findet er.

Tilke: "Hoffe, die Hauptsachen funktionieren"

Tilke ist auf dem neuen Indien-Kurs einer der wichtigsten Ansprechpartner

Hermann Tilke erlebt gerade aufregende Tage. Der Aachener Rennstrecken-Architekt weilt in Indien, wo am kommenden Wochenende die Indien-Premiere der Formel 1 über die Bühne geht - auf dem Buddh-International-Circuit, der von ihm designt wurde. Wie vor einem Jahr in Südkorea wurde der Kurs erst im letzten Moment fertiggestellt. Ein bisschen Bauchweh kann man Tilke daher nicht verdenken, obwohl er für fast alle neuen Grand-Prix-Kurse verantwortlich zeichnet und das Prozedere einer Streckenpremiere daher schon gewohnt ist. "Routine hat man nicht, man ist immer nervös", sagt er gegenüber der 'dpa'. "Ich hoffe, dass die Hauptsachen funktionieren: Die gesamte Technik - für die Teams, für die Journalisten, für die Besucher, für die Fahrer, für alle. Das ist unsere grösste Sorge."

Tilkes Nervositätskurve

Das Problem ist laut Bernie Ecclestones Lieblings-Rennstrecken-Architekt, dass man vor einer Grand-Prix-Premiere aufgrund der kurzen Vorlauf-Zeiten meist keinen Spielraum mehr hat, den Kurs durchzuchecken. "Weil immer alles kurzfristig fertig wird, wird ja vorher nicht getestet", bestätigt er. "Es gehen auch immer bei einem ersten Grand Prix - das ist einfach so - Kleinigkeiten schief. Wir gehen da von Null auf Hundert." Erst im Laufe des Wochenendes lässt Tilkes Nervosität nach. "Dabei gibt es verschiedene Stufen", beschreibt er den Verlauf eines Premierenrennens. "Wenn die ersten Teams ankommen und etwa die Steckdose nicht finden, muss man immer dafür sorgen, dass sie die finden. Wenn das erste Auto freitags gefahren ist, wird man gelassener. Dann sind ja auch die ersten Gäste schon da." Doch selbst zu diesem Zeitpunkt gab es bereits so manche unliebsame Überraschung, meint er, und erzählt, "dass zum Beispiel mal 'ne Box voll Fäkalien gelaufen ist, weil irgendwo ein Rohr nicht richtig angeschlossen war. Das muss natürlich ganz schnell geregelt werden." Wenn dann alles vorbei ist, "denkt man sich: Erstmal schlafen jetzt." Trotz eines gewissen Unsicherheits-Faktors rechnet Tilke nicht mit grossen Schwierigkeiten. "Die Strecke ist ohne Probleme abgenommen worden", argumentiert er. "An den Hochbauten wird noch etwas gewerkelt, aber die Strecke ist soweit fertig." Er ist sich daher sicher, dass der Grand Prix "ohne Probleme durchgezogen werden" kann.

Der Architekt über sein neues Baby

Mit seinem neuesten Werk ist er jedenfalls zufrieden. "Es gibt einige Dinge, die es in sich haben", geht er ins Detail. "Eine sehr lang gezogene Rechtskurve, die wird anspruchsvoll sein. Wir werden sehen, was die Reifen sagen. Es wird kein Reifenproblem geben, aber es kann schon sein, dass die Reifen sehr belastet werden. Wir haben einige Auf und Abs, es geht also etwas hoch und runter. Wir haben einige Überholmöglichkeiten, dabei aber die Kurven nach innen geweitet. Das macht es für den Vorfahrenden schwieriger, sich zu verteidigen."

Natürlich dachte Tilke, der selbst bereits an zahlreichen Autorennen teilnahm, beim Layout des Buddh-International-Circuit auch an die Sicherheit - ein Thema, das angesichts der tödlichen Unfälle im Motorsport so aktuell ist wie schon lange nicht mehr. Er weiß aber: "Eine hundertprozentige Sicherheit wird es nie geben. Da bleibt immer ein Restrisiko. Es kommt der Tag, wo wieder etwas Schlimmes passiert, so wie jetzt beim IndyCar-Rennen."

Brawn: Der Kurs ist fantastisch

Mercedes-Teamchef Ross Brawn denkt über das neue Land im Kalender nach

Nun ist die Formel 1 zum ersten Mal in Indien zu Gast. Der neue Buddh-International-Circuit präsentierte sich am Donnerstag mit gemischten Eindrücken. Die Fahrer waren begeistert über das Layout der neuen Strecke, auch wenn der Asphalt noch sehr schmutzig und staubig war. Auf der anderen Seite ist die Infrastruktur rundherum noch nicht makellos. Es gab am Freitag Stromausfälle und es tauchten in den Gebäuden sogar Ratten und Fledermäuse auf. Indien ist dennoch ein großer Wachstumsmarkt und wenn die Formel 1 eine Weltmeisterschaft sein will, gehört auch dieses Land dazu. Abgesehen von den kleinen Infrastrukturproblemen herrscht trotzdem Kritik an dem Rennen, weil die glamouröse und millionenschwere Formel 1 in einem Land gastiert, wo es grosse Unterschiede zwischen reich und arm gibt. Die Formel-1-Macher sehen das aber nicht als Problem an. "Die Strecke ist fantastisch", schwärmt Mercedes-Teamchef Ross Brawn am Donnerstag. "Man weiß aber nicht genau, wie die Strecke genau sein wird, bevor nicht die Autos gefahren sind."

"Trotzdem ist der Kurs fantastisch. Es gibt unglaubliche Kurvenkombinationen und Gerade. Es gibt eine sehr lange Gerade, einige sehr wichtige Kurven und Kurvenkombinationen. Es wird knifflig werden. Die Einrichtungen sind gut. Natürlich ist alles erst fertig geworden. Das verstehen wir und üben keine Kritik. Es war eine große Herausforderung, alles rechtzeitig fertig zu stellen. Wir wissen, dass es im nächsten Jahr eine Verbesserung bei den Gebäuden geben wird. Wir sind tolerant und verstehen die Situation." Formel-1-Zampano Bernie Ecclestone hat sich die Gebäude und Einrichtungen am Donnerstag genau angesehen und war zufrieden. "Es ist super. Die Strecke ist super. Sie haben alles gemacht, was wir von ihnen verlangt haben. Das ist seit der Vereinbarung innerhalb von nur zwei, drei Jahren geschehen. In Silverstone hat es 25 Jahre gedauert, also finde ich, dass sie es gut gemacht haben." Trotz des grossen Unterschieds zwischen arm und reich findet Brawn, dass es für die Formel 1 wichtig ist, Länder wie Indien zu besuchen. "Indien ist für uns ein fantastischer neuer Ort. Manche Leute kritisieren den Kontrast zwischen der Formel 1 und einiger Teile der Bevölkerung. Wenn wir aber nicht hierher kommen, wie könne wir dann helfen?", fragt sich der Brite. "Wie können wir zum Fortschritt beitragen, wenn die Formel 1 nicht nach Indien kommt? Was für eine Hilfe wäre das? Das wäre überhaupt keine Lösung. Da die Formel 1 jetzt in Indien gastiert, können wir vielleicht einen kleinen Teil zur Entwicklung des Landes beitragen."

Indien ist im Gegensatz zu beispielsweise Südkorea in den vergangenen Jahren auf die internationale Motorsportbühne gekommen. Narain Karthikeyan war der erste Inder in der Formel 1. Das Force-India-Team vertritt die Nationalfarben in der Königsklasse und auch Karun Chandhok mischt in der Formel 1 mit. Das Interesse an der Formel 1 ist in Indien vorhanden. "Mich Fasziniert das Wissen, dass die Leute hier über die Formel 1 haben, denn die Formel 1 hat hier bisher nicht existiert", sagt Brawn. "Wenn ich mit den Fans oder den Medienvertretern spreche, ist es faszinierend, wie viel Wissen und Leidenschaft sie für unseren Sport haben." "Ich schätze, dass liegt daran, dass sich Indien im Bereich der Technologie rasch entwickelt. Die Formel 1 drückt das aus. Die Formel 1 bedeutet hochgestochene Technologie, und in diesem Bereich entwickelt sich Indien sehr schnell. Das passt gut zusammen. Ich hoffe, wir können den Fans eine gute Show bieten."

Wie sich die Show auf der neuen Strecke entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist jedoch, dass der Kurs sehr schmutzig ist und abseits der Ideallinie wohl kaum Fahrbetrieb möglich sein wird. "Das hilft natürlich nicht", meint Brawn. "Es ist immer besser, wenn die Fahrer verschiedene Linien wählen können. Ehrlich gesagt, wird bei vielen Rennstrecken der Großteil der Strecke aufgrund des hohen Reifenabtriebs sowieso unbefahrbar. Wenn man sich die Strecken während der Rennen genau ansieht, dann gibt es Bereiche, wo man nie hinfahren darf, weil sich dort soviel Gummiabrieb sammelt. Ich glaube nicht, dass es hier ein Problem sein wird", meint der 56-Jährige über die schmutzige Strecke. Abschliessend sagt Brawn zur Formel-1-Premiere: "Jeder ist hier sehr verständnisvoll. Wir sind sehr glücklich hier zu sein. Wir verstehen, dass einige Dinge für das kommende Jahr verbessert werden müssen, aber es ist eine fantastische Anlage."

Karun Chandhok stolz auf das Geleistete

Karun Chanhok empfindet für seine Landsleute eine Menge Stolz

Lotus-Testfahrer Karun Chandhok hatte an der Fertigstellung des Buddh International Circuit in Noida nie Zweifel, wie er betont. Dem Grand Prix am Sonntag blickt der indische Nationalheld mit gemischten Gefühlen entgegen, da er gern selbst am Rennen teilgenommen hätte. So bleibt es für ihn bei einer einzigen Trainingssitzung am Freitagmorgen. In seiner Medienrunde spricht Chandhok über den aktuellen Zustand der Strecke, seine zu erwartenden Gefühle am Freitag und am Sonntag, seine Zukunft im Lotus-Team sowie seine Rolle als Botschafter des Motorsports in Indien.

Frage: Karun, du hast im Vorfeld mehrfach erwähnt, dass du es beinahe nicht glauben kannst, dass Indien nun einen Grand Prix hat. Mit welchen Gefühlen bist du an die Strecke gekommen?

Karun Chandhok: Inzwischen ist das Ganze etwas glaubwürdiger. Als ich die Strecke gestern mit dem Fahrrad abgefahren habe, hatte ich endlich Zeit, um alles auf mich einwirken zu lassen. Ich war eine Stunde lang ohne Telefon, E-Mails, Fernsehkameras und Zeitungen. Nur Bruno Senna hat mich begleitet. Wir haben die Strecke gemeinsam mit dem Rad abgefahren und uns darüber unterhalten, welche Linie wir in welcher Kurve wählen würden und solche Dinge. Alles in allem fühlt sich das Ganze mittlerweile real an.

Die Strecke an sich ist fertig, aber es gibt hier und da noch ein paar Stellen, an denen gearbeitet werden muss. Gab es für dich jemals Zweifel, dass die Strecke rechtzeitig fertig werden würde?

Nein, darum habe mich nie gesorgt. Es gab ein paar Verzögerungen in Bezug auf die Fertigstellung des Paddock-Bereichs, aber nicht was die Strecke betrifft. Ich muss der Jaypee-Gruppe ein grosses Lob aussprechen. Alles, worauf es ankommt, ist fertig. Die Boxen stehen, die Strecke ist befahrbar, die Rennleitung kann ihren Dienst antreten. Was immer jetzt noch getan werden muss, hat keinen Einfluss auf das Geschehen auf der Piste. Die Jaypee-Gruppe hat daher alles richtig gemacht und ihre Prioritäten richtig gesetzt.

Du gehst also davon aus, dass die notwendigen Verbesserungen am Streckenrand bis zum kommenden Jahr behoben sein werden?

Der Kurs ist befahrbar. Im nächsten Jahr wird es hier Rennfahrerlehrgänge geben. Bis jetzt wurden schon 16 Streckentage durch Autohersteller gebucht. Zudem werden nationale Rennserien an den Start gehen. Der Kurs wir als Ganzes voll funktionsfähig sein.

Du wirst lediglich im ersten Freitagstraining zum Fahren kommen. Was willst du in dieser Session erreichen? Willst du der Erste sein, der die Boxengasse verlässt?

Ich kümmere mich nicht so sehr darum, der Erste zu sein, der aus der Boxengasse fährt, obwohl es eine schöne Gesichte wäre. Sobald die Session angefangen hat, wird es dasselbe sein wie in Suzuka oder Korea oder Silverstone. Du musst einfach dein Programm abspulen und den bestmöglichen Job erledigen. Wenn die Session beginnt, hört all der andere Blödsinn auf.

Wird es dir hier schwerer fallen, aus dem Auto auszusteigen, wenn du daran denkst, dass du beim ersten Grand Prix von Indien nicht in der Startaufstellung stehen wirst?

Es ist ungefähr so, als würde mir der Weihnachtsmann am Morgen ein Geschenk überreichen, das ich noch am Morgen wieder zurückgegen muss. Jeder kann sich vorstellen, wie ich mich fühle, aber unterm Strich geht es für mich als Profi darum, ein Teamplayer zu sein, weiterhin ein Lächeln auf den Lippen zu tragen und unter den gegebenen Voraussetzungen den bestmöglichen Job abzuliefern. Du hast bereits erwähnt, dass du gern langfristig für Lotus arbeiten würdest. Wie sieht deine Zukunft im Team aus?

Das müssen wir abwarten. Ich muss mich dazu mit Tony Fernandes zusammensetzen und die Dinge diskutieren. Das geht aber nicht an der Strecke. Wir werden uns zu gegebener Zeit an einem gegebenen Ort darüber unterhalten. Ich würde gern weiterhin mit ihm zusammenarbeiten, denn ich glaube, dass es ihm nach wie vor ein Anliegen ist, asiatische Fahrertalente nach oben zu bringen. Wir werden sehen, was die Zukunft bringt.

Bist du überrascht angesichts der Fülle an Berichterstattung, die es gegeben hat, nachdem klar war, dass du im Rennen nicht am Start sein wirst?

Ich glaube, viele Leute haben unterschätzt, wie leidenschaftlich die indischen Medien ihre Sportler verfolgen. Die Medien lieben es, wenn ihre Landsleute im Sport gut abschneiden. Es stimmt, es kamen sehr viele Leute zu mir und haben mich darauf angesprochen, dass sie es nicht glauben konnten, welche Welle der Berichterstattung ich ausgelöst habe. Das zeigt nur, welchen Einfluss indische Sportler haben und welches Ansehen wir bei den Medien und den Fans genießen. Die Menschen haben unterschätzt, wie viel es diesem Land bedeutet, dass indische Sportler gute Ergebnisse nach Hause bringen. Insofern bin ich nicht überrascht, sehr wohl aber dankbar. Ich hatte innerhalb von fünf Stunden nach der Bekanntgabe 2.200 Tweets auf meinem Twitter-Account. Das ist fantastisch und ich weiß es wirklich zu schätzen.

Siehst du das als positives Zeichen für die Formel 1 in Indien?

Wenn man sich mit den indischen Medien unterhält, stellt man fest, dass sie gut informiert sind. Dasselbe gilt für die Fans. Sie lesen, was geschrieben wird und verfügen über ein ordentliches Wissen sowie über jede Menge Leidenschaft. Der Grand Prix von Indien hat vielen Menschen die Augen geöffnet. Ich habe zwischen Sonntag und Dienstag insgesamt 37 Einzelinterviews gegeben. Heute kam noch einmal eine ganze Reihe davon hinzu, bei 19 habe ich aufgehört zu zählen. Ich bin mir bewusst, dass ich in Indien ein Botschafter der Formel 1 und des Motorsports als Ganzes bin. Meine Aufgabe ist es, den Sport den Menschen näher zu bringen. Für mich ist es wichtig, mein Wissen weiterzugeben und mich mit den Medienvertretern zu unterhalten. Ich habe viele Fragen bekommen, nach dem Motto: 'Michael Schumacher hat dies und jenes gesagt, was meint er damit?' oder 'Jenson Button hat Folgendes gesagt, was heisst das?'. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass die Menschen hier nicht wissen, was es bedeutet, wenn die Fahrer von einer 'grünen Strecke' sprechen, die keinen Grip hat. Ich sehe es daher als meine Aufgabe an, die Öffentlichkeit über die Formel 1 zu informieren.

Mit welchem Gefühl wirst du am Sonntag den Start zum ersten Grand Prix von Indien verfolgen, wirst du traurig sein, dass du nicht selbst in der Startaufstellung stehst oder wirst du Stolz verspüren?

Ein bisschen von beidem. Stolz empfinde ich nicht nur für Indien, sondern auch für die Jaypee-Gruppe. Sie ist inzwischen zu meiner Familie geworden. Ich habe regelmässig Kontakt und statte den Mitgliedern alle drei Wochen einen Besuch ab. Ich weiss, wie viel Arbeit sie investiert haben und bin daher sehr stolz auf sie. Dass ein privates Unternehmen ein solches Projekt auf die Beine gestellt hat, ist grossartig. Das sollte allen Beteiligten immer bewusst sein.

28.10.2011