Nico Rosberg betreibt Risikomanagement

Nicht immer gelingt es Nico Rosberg,

nicht über das Limit zu gehen

Die tödlichen Unfälle von MotoGP-Star Marco Simoncelli und Indy-500-Sieger Dan Wheldon haben das Thema Sicherheit im Motorsport wieder auf den Plan gerufen. Die Formel 1 wurde in den vergangenen 17 Jahren von fatalen Crashes verschont, dennoch machte sich jeder Pilot seine eigenen Gedanken über Risiko-Bereitschaft und die Todesgefahr im Cockpit.

Nico Rosberg weiss genau: "Es ist ein schmaler Grat: Man muss aggressiv sein, um gewinnen zu können. Aber dafür muss man das Ziel erreichen und darf keinen Unfall haben. Daher ist es ein Kompromiss." Während eines Rennens muss man oft in Sekunden-Bruchteilen Entscheidungen treffen, die schwerwiegende Folgen haben können. "Im Auto betreibe ich Risikomanagement", beschreibt der Mercedes-Star seine Situation im Cockpit. "Ich denke immer daran, nicht übers Limit zu gehen - um keinen Fehler zu machen. Ich denke da nicht nur an meine eigene Sicherheit, sondern auch an die der anderen Piloten um mich herum."

Die Sicherheit hat sich aber seit den 1980er-Jahren, als sein Vater Keke Rosberg Formel-1-Weltmeister wurde, deutlich verbessert. Den Anfang machte das Kohlefaser-Chassis von McLaren-Technikchef John Barnard, in dessen Genuss auch Rosberg Senior kam. "Die Struktur des Autos ist unglaublich sicher, denn alles besteht aus Karbon - also aus mehreren zusammengepressten Schichten", erklärt der Teamkollege von Michael Schumacher. "Es handelt sich um so eine steife und robuste Konstruktion, die einem sehr harten Aufprall widerstehen kann. Das ist die Basis. Dieses Material ist überall um uns herum, wir sind also durch diese Schale sehr gut geschützt."

"Michael im Rennen nicht schneller als ich"

Bei den Rennen in Spa-Francorchamps und in Monza verzeichnete Michael Schumacher diese Saison Lichtblicke: Der Rekord-Weltmeister sorgte in Italien mit seinem beherzten Duell gegen Lewis Hamilton für grosse Spannung und wurde Fünfter, in Belgien war es ihm davor gelungen, vom letzten Startplatz ebenfalls auf den fünften Rang nach vorne zu stürmen. In der Endphase überholte er als I-Tüpfelchen sogar seinen Teamkollegen Nico Rosberg, der das Rennen teilweise angeführt hatte.
Bei einem Tischgespräch mit indischen Journalisten musste sich Rosberg daher die Frage gefallen lassen, warum sein Teamkollege seit Kanada in den Rennen schneller sei als er. "Das ist nicht wahr, dass er in den Rennen schneller war", stellt der 26-Jährige rasch klar, gibt aber zu, dass Schumacher "in den Rennen näher dran war als im Qualifying, er war aber nicht schneller." Der jüngere der beiden Mercedes-Stars hält auch die turbulenten Rennen in dieser Saison für eine Ursache, warum die Kräfteverhältnisse 2011 etwas diffuser sind: "Gewisse Situationen spielen gewissen Leuten in die Hände. Die Formel 1 ist dieses Jahr so anders - mit den Reifen und mit den Strategien. Manchmal kann also dieser Eindruck entstehen." Für ihn ist dennoch klar: "Wenn man sich ansieht, wer seit Kanada die meisten Punkte geholt hat, dann bin das immer noch ich. Ich war auch in den Rennen meistens vor ihm. Beim letzten Rennen war ich zum Beispiel im Qualifying und im Rennen schneller. Das ist also nicht wirklich der Fall, dass er schneller war als ich."

Rosberg in Noida im Vorteil?

Der Grand Prix von Indien könnte Nico Rosberg entgegenkommen. Der Mercedes-Pilot sieht sich vor der Formel-1-Premiere auf dem Buddh International Circuit in einer aussichtsreichen Situation. Das führt er auf seine persönlichen Stärken und auf die des Autos zurück. "Ich war in der Vergangenheit immer recht schnell beim Erlernen neuer Strecken", meint Rosberg. "Ich hoffe, das hilft mir an diesem Wochenende. Vielleicht können wir daraus einen Vorteil ziehen und dadurch näher an den anderen Teams dran sein." Der in der WM-Wertung derzeit auf Rang sieben liegende Deutsche weiss, dass sich die Piloten heutzutage mittels Simulator auf neue Strecken vorbereiten - auch er selbst setzt auf diese Herangehensweise. Dennoch sind die Fähigkeiten, den neuen Kurs im Rennauto rasch zu erfassen und zu automatisieren, nach wie vor von grosser Bedeutung: "Der Simulator ist am Ende immer noch ein Computer. Und letztendlich ist es sehr schwierig, das realistisch zu machen. Er hilft dir zwar bei vielen Dingen, aber es ist noch nicht hundertprozentig realistisch."

Rosberg weiss, dass der Buddh-International-Circuit nach Monza die zweitschnellste Strecke im Kalender ist. Da liegt es auf der Hand, dass die Motorleistung keine unwesentliche Rolle spielt. Der Mercedes-Pilot gibt sich zuversichtlich: "Ich denke, dass wir einen guten Motor haben. Wir haben daher eine gute Höchstgeschwindigkeit auf den Geraden. Wenn es also viele Geraden gibt, wo Motorleistungen gefragt ist, dann hilft uns das. Dennoch reicht das nicht aus, um das Rennen zu gewinnen", gibt er sich realistisch. "Es ist auch sehr unwahrscheinlich, dass wir dieses Jahr noch einen Podestplatz einfahren. Vielleicht, wenn wir Glück haben." Mit Geoff Willis und Aldo Costa hat die Truppe aus Brackley erst kürzlich ihre Technikabteilung aufgerüstet. "Die Botschaft ist klar: Mercedes wird in der Formel 1 Rennen gewinnen", spürt Rosberg die Aufbruchsstimmung. "Wir engagieren die besten verfügbaren Leute, damit wir den Sport bald dominieren können."

Dazu wird es auf dem Buddh-International-Circuit aber frühestens 2012 kommen. Der 26-Jährige ist aber voll des Lobes für das Layout der neuen Rennstrecke: "Es handelt sich um eine grossartige Strecke. Der Architekt ist Hermann Tilke und er hat zuletzt einige der besten Strecken der Welt gebaut. Daher bin ich mir sicher, dass er auch hier gute Arbeit geleistet hat." Er prognostiziert ein unterhaltsames Rennen: "Dieses Jahr hat es ohnehin schon viele Überholmanöver gegeben - durch DRS und die Reifen. Das wird sicher auch hier der Fall sein, es gibt sicher spannende Manöver."

27.10.2011