Chandhok: "Es dürfte interessant werden"

Karun Chandhok

greift am Wochenende für das Lotus-Team ins Formel-1-Lenkrad

Vor ziemlich genau einem Jahr wurde Karun Chandhok bei HRT ausgemustert und war urplötzlich ohne Formel-1-Cockpit. Seither arbeitete der indische Rennfahrer an seinem Comeback, das am Nürburgring in die Tat umgesetzt wird: Chandhok ersetzt an diesem Wochenende den italienischen Routinier Jarno Trulli und übernimmt - zunächst nur einmalig - dessen Lotus T128. Im Interview spricht Chandhok aber auch darüber, 2012 ein Stammfahrer sein zu wollen - am liebsten beim Lotus-Team...

Frage: Karun, wie kam es dazu, dass du nun ein Rennen bestreitest? Hatte sich diese Entwicklung bereits angedeutet oder wurdest du davon überrascht?

Karun Chandhok: Wir hatten schon eine Weile lang darüber gesprochen. Tony (Fernandes, Teamchef) sagte mir seit dem Saisonbeginn immer wieder, dass es ihm ein Anliegen sei, asiatische Fahrer zu fördern. Er möchte der Formel 1 einen etwas grösseren asiatischen Touch verleihen. Wir sprachen darüber, in diesem Jahr ein paar Rennen zu bestreiten. Wie es genau zu dieser Entscheidung kam, weiß ich nicht. Offenbar hält man diesen Event für ein gutes Wochenende. Ich bin da sicherlich nicht der Typ, der ein solches Angebot ablehnt. Vor ein paar Tagen hatte ich schließlich Gewissheit. Ich wusste also, dass mein Renneinsatz anstehen würde."

Ist es eine einmalige Vorstellung deinerseits oder wirst du im weiteren Verlauf der Saison noch einmal ins Cockpit zurückkehren?

In der Formel 1 steht man ohnehin immer - gewissermassen - im Schaufenster. Ich habe jetzt die Möglichkeit, ein komplettes Wochenende zu bestreiten. Ich hoffe einfach nur, Petrus stellt irgendwann einmal den Regen ab, damit ich auch die Pirelli-Trockenreifen einmal ausprobieren kann und damit über Kurve drei hinauskomme (lacht). Es ist einfach schön, das ganze Programm abspulen zu können. Dabei lerne ich sicherlich einiges. Nur am Freitag im Auto zu sitzen und zwei bis drei Runs zu absolvieren, ist etwas ganz Anderes. Mein bis dato letzter Grand-Prix-Einsatz liegt nun ziemlich genau ein Jahr zurück. Es ist klasse, wieder ein ganzes Wochenende vor sich zu haben.

Abgesehen von einem halben Sektor in Australien warst du noch nie mit den Pirelli-Slicks unterwegs...


Das ist richtig. Es dürfte interessant werden. Wichtig ist die Erwartungshaltung der Leute im Team, sodass ich mir eine Grundlage aufbauen kann, um meine Position zu stärken. Sie wollen von Freitag bis Sonntag einen ordentlichen Fortschritt sehen. Tony sagte mir, ich solle zusehen, am Sonntag einfach eine bessere Figur abzugeben als am Freitag. Ich zeige ohnehin viel Einsatz, denn ich bin ein Workaholic und werde eh viel Zeit mit den Ingenieuren verbringen. Genau das wollen sie. Sie möchten mich engagiert sehen.

Wie wohl fühlst du dich im Auto? Hast du dein Eindruck, das Fahrzeug ans Limit bringen zu können?

Am Freitag geht es für mich nicht um Rundenzeiten, sondern vielmehr darum, zu lernen. Ich muss mich mit dem Reifenverschleiss vertraut machen und noch dazu den verstellbaren Heckflügel erkunden. Es sind kleine Dinge, die den Lotus von dem Auto unterscheiden, das ich im vergangenen Jahr fuhr. Glücklicherweise bestritt ich aber zuletzt drei Geradentests und dass ich in Silverstone im Freien Training antreten konnte, war ebenfalls sehr nützlich.Ich war nicht so weit weg, was das Tempo anging. Hier am Nürburgring nehme ich einen Tag nach dem anderen. Schauen wir einmal, wie es am Freitag läuft. Die Wettervorhersage verändert sich ständig - je nach dem, mit wem man sich unterhält. Schön wäre natürlich, zwei saubere Sessions zu haben. Dann dürften wir eine erste Standort-Bestimmung haben. Die realistische Erwartungshaltung dürfte sein, vor den Vieren (gemeint sind die Fahrzeuge von HRT und Marussia-Virgin) zu liegen. Ich war bei den Vorsaison-Tests nicht im Einsatz und Tony erwartet auch nicht von mir, dass ich gleich Heikki hinter mir lasse oder dergleichen. So gesehen ist es ein realistisches Ziel, vor unseren direkten Konkurrenten zu sein, würde ich sagen.

22.7.2011











Frage: "Wie stehen deine Chancen, auch in Indien ein Rennen zu fahren, sofern Tony dort entsprechend für Platz sorgen würde?"
Chandhok: "Nun, mein Telefon ist immer in Betrieb. Ich kann jederzeit einen Anruf entgegen nehmen. Ich würde jede Gelegenheit beim Schopfe ergreifen."
Frage: "Wie würde Indien reagieren, wenn ein Inder in der Startaufstellung stehen würde?"
Chandhok: "Sie sind schon jetzt total aus dem Häuschen. Ich glaube, Silverstone war eine kleine Enttäuschung für sie, weil Narain (Karthikeyan; Anm. d. Red.) nicht am Start war. Das Echo, das ich via Telefon, Email und Nachrichten erhalten habe, war auf jeden Fall sehr positiv. Die Zeitungen werden total verrückt spielen."

"Für den Abend haben sich bereits einige TV-Sender angekündigt. Der Hype ist also vorhanden. Aufgrund des Rennens finden die Leute mehr und mehr Raum, um die Sache entsprechend aufzubauschen. Die Medienleute in Indien brauchen ein Gesicht, mit dem sie reden können und mit dem sie etwas verbinden. Sie brauchen jemanden, der tatsächlich in das Geschehen involviert ist."

"Für einen neuen Markt ist das sehr wichtig. Vor einer Woche war ich bei der Demoveranstaltung in Russland. Dort war Witali (Petrow; Anm. d. Red.) überall das große Thema. Das ist eben die Verbindung. Schaut euch nur einmal an, wo die Formel 1 in Deutschland war, bevor Michael (Schumacher; Anm. d. Red.) hinzustieß. Schauen wir einmal, was passiert."
Frage: "Hältst du diesen Einsatz für ein Sprungbrett, um 2012 wieder ein Stammcockpit zu erhalten?"
Chandhok: "Allerdings. Ich würde gerne im kommenden Jahr zurückkehren und eine komplette Saison mit Lotus bestreiten. Tony betonte ja bereits, eines Tages einmal einen asiatischen Fahrer in seinem Auto haben zu wollen. Er wird mich aber nicht einfach ins Fahrzeug setzen, nur weil ich es bin. Für mich ist es jedoch eine gute Chance, mir intern Respekt zu verschaffen. Ich freue mich darauf. Den Kurs kenne ich aus meiner Zeit in der GP2 - immerhin. Es gibt aber noch viele andere Dinge zu lernen."