Heidfeld: "Vettel war zu langsam"

Für Nick Heidfeld blieb Sebastian Vettels Talent

lange verborgen

Als Sebastian Vettel Mitte 2007 als Ersatz von Scott Speed zu Toro Rosso wechselte, spürte man von Seiten des BMW Sauber F1 Teams wenig Widerstand. Der Heppenheimer war damals neben Timo Glock Testpilot beim Rennstall mit Sitz in Hinwil und hatte nach dem schweren Montreal-Crash von Robert Kubica seinen ersten Renneinsatz in Indianapolis hinter sich, wo er auf Anhieb in die Punkte fuhr.

Doch aus irgendeinem Grund erkannte man das Talent des damaligen Teenagers nicht und liess ihn ziehen. Damit war man nicht alleine. Ein Formel-Rennfahrer urteilte damals gegenüber der 'SportWoche': "Glock würde den Vettel verblasen." Und auch Teamkollege Nick Heidfeld gibt heute zu, dass ihm das enorme Talent des inzwischen zweimaligen Weltmeisters verborgen blieb.

Warum Vettel trotz Bestzeiten nicht glänzte

"Wie sehr Sebastian mal die Formel 1 dominieren würde, war damals nicht abzusehen", stellt Heidfeld gegenüber 'Auto Bild motorsport' klar. Und das, obwohl der Youngster bei seinem Formel-1-Debüt als Freitag-Tester Ende August 2006 in Istanbul gleich die Bestzeit in den Asphalt brannte - allerdings unter anderen Bedingungen, weil die Stammfahrer im Freien Training stets die Motoren schonen mussten. "Sebastian machte einen ordentlichen Job bei den Freitagstests", erinnert sich Heidfeld. "Er fuhr mit leeren Tanks auch Bestzeiten, aber im Vergleich zu Robert und mir war er zu langsam. Sein Potenzial war damals einfach nicht zu erkennen." Er hat eine Theorie, warum das Talent des heutigen Superstars für Insider im Verborgenen blieb, während ihn die Boulevard-Presse aufgrund seiner Bestzeiten bereits als "Baby-Schumi" feierte. "Weil Sebastian so extrem clever ist, zwang er sich mit dem Auto einfach noch nicht, ans Limit zu gehen - um nichts kaputtzumachen", glaubt der Mönchengladbacher. "Deshalb war er langsamer." Selbst der erste Grand-Prix-Einsatz des damals 19-Jährigen, als er sich mit Platz acht in den USA zum jüngsten Punktesammler der Geschichte krönte, änderte an Heidfelds Meinung wenig.

Vettel für Kubica nur "Stefan"

Der Grund: Der Stammfahrer stellte seinen Boliden mit einer Zeit von 1:12,847 Minuten auf den fünften Startplatz, Vettel folgte mit einem Rückstand von sechseinhalb Zehntelsekunden auf Platz sieben. "Eine solide Leistung, aber das Auto war gut für mehr", urteilt Heidfeld, der im Rennen in einen spektakulären Startcrash verwickelt war und ausschied. Auch von Teamkollegen Kubica erhielt Vettel nicht viel Wertschätzung. "Er war ein typischer Deutscher, den ich deshalb Stefan nannte", meinte der Pole gegenüber 'Auto Bild motorsport'. Vettel liess den Scherz über sich ergehen, obwohl sich der Spass ab einem gewissen Zeitpunkt für ihn in Grenzen hielt.

"Ich weiss nicht, ob er selbst den Namen erfunden hat", überlegt Vettel gegenüber 'Auto Bild motorsport'. "Ich weiss aber noch, dass ich dann plötzlich Stefan hiess. Am Anfang war's ganz lustig. Am Ende albern." Zumal sich die Stammpiloten Heidfeld und Kubica Anfang 2007 über Freitags-Einsätze des Talents beschwerten, da immer einer der beiden sein Auto im Training abtreten musste. Nach zwei Renn-Wochenenden war daher Schluss mit Vettels Versuchsfahrten.

Toro-Rosso-Wechsel als Befreiungsschlag

2007 schien der nunmehrige Red-Bull-Pilot auf der Stelle zu treten, ehe eine glückliche Fügung seine Karriere in Schwung brachte. Toro-Rosso-Pilot Scott Speed war nach dem Rennen auf dem Nürburgring mit Teamchef Franz Tost aneinandergeraten - der Rausschmiss folgte für den US-Boy postwendend. Und so durfte Vettel ab Ungarn im Boliden des Red-Bull-B-Teams Platz nehmen. "Bei Toro Rosso konnte sich Sebastian entfalten", weiss Heidfeld. "Er fühlte sich wohl, lernte alles unglaublich schnell und plötzlich ging das Fahren automatisch. Mit dem Selbstbewusstsein war auch der irre Speed da. Von da an war er einfach nicht mehr aufzuhalten."

24.11.2011