Hamilton und Button kämpfen um vierten Sieg

Lewis Hamilton hat bei seinem Sieg

in Abu Dhabi Lunte gerochen

In Abu Dhabi setzte Lewis Hamilton den ersten Teil seines Vorhabens in die Tat um. Der McLaren-Star hatte vor dem Rennen auf dem Yas Marina Circuit angekündigt, er möchte seine Siegausbeute 2011 verdoppeln. Der zweite Streich soll nun beim Saisonfinale in Interlagos folgen. Zumal Hamilton im Autodromo Carlos Pace zwar mit dem WM-Titel 2008 seinen bisher grössten Triumph einfuhr, aber noch nie siegte.

In der Weltmeisterschaft liegt der Brite mit sechs Punkten Rückstand auf Mark Webber und 18 Zähler hinter Fernando Alonso auf dem fünften Platz. Teamkollege Jenson Button ist hingegen ausser Reichweite: Der Vorsprung des WM-Zweiten auf Hamilton beträgt bereits 28 Punkte. Auch für Button war Interlagos der Schauplatz seines größten Erfolgs: 2009 krönte er sich auf dem außergewöhnlichen Kurs zum Champion.

Hamilton will ersten Interlagos-Sieg

"Es war ein fantastisches Gefühl, in Abu Dhabi zu siegen", sagt Hamilton. "Jetzt bin ich noch entschlossener, die Saison 2011 mit einem Sieg zu beenden. Es wäre grossartig, mit einem Sieg in den Winter zu gehen - das wird also am kommenden Wochenende mein Ziel sein." Keine leichte Aufgabe, denn der Grand Prix von Brasilien wartete in seiner Geschichte regelmäßig mit überraschenden Rennverläufen auf. "Es gibt in Interlagos selten ein Rennen mit einem geradlinigen Rennverlauf", weiss auch Hamilton. "Vor allem, wenn das Wetter eine Rolle spielt. Ich höre, dass es derzeit in Sao Paulo regnet. Wenn es am Sonntag regnet, dann kann alles passieren. Ich erinnere mich, dass ich dort 2009 eines meiner besten Formel-1-Rennen gefahren bin. Ich qualifizierte mich als 17. bei sehr nassen Bedingungen, war aber bei der Zieldurchfahrt Dritter. Ich habe während des gesamten Rennens Leute überholt - es war brillant."

Geschichtsträchtiger Ort für McLaren-Piloten

"Natürlich ist für Jenson und mich Interlagos der Kurs, wo wir unsere Weltmeisterschaften gewannen", verweist er auf die besondere Bedeutung des Kurses in Sao Paulo. "Er wird bei uns immer besondere Erinnerungen wecken. Fakt ist, dass ich dort nur einmal - im Jahr 2009 - keine Titelchancen hatte. Dieses Jahr sind beide Titel bereits vergeben, daher möchte ich es einfach nur genießen. Und ich glaube, dass wir mit unserem Auto einmal mehr den Unterschied machen können. Ich hoffe, dass wir dort anschließen können, wo wir in Abu Dhabi aufgehört haben." Hamilton rechnet mit einem tollen Ende der Saison: "Interlagos ist ein fantastischer Kurs, einer der besten im Kalender. Ich denke, dass die Mischung aus KERS und DRS sowie die Möglichkeit, dass es nass wird, die Voraussetzungen für ein faszinierendes Rennen bieten."

Button: Nacken auf dem Prüfstand

Auch für Teamkollege Button ist Interlagos ein geschichtsträchtiger Ort: "Auf dem Weg zum Kurs passiert man die Büste von Carlos Pace. So viele berühmte Fahrer stammen von hier - darunter die beiden McLaren-Weltmeister Emerson Fittipaldi und Ayrton Senna. Es ist so ein einzigartiger Ort und es ist immer eine aufregende Erfahrung, in dieser Schüssel zu fahren, die von dicht gedrängten Tribünen umringt ist." Doch nicht nur die Atmosphäre hat es Button angetan: "In Interlagos muss man viele physische Herausforderungen bewältigen. Die Runde gibt einem viel zu tun - es gibt viele Kurven und Höhenunterschiede. Ich kann es mir kaum vorstellen, wie es gewesen sein muss, hier in den 1970er-Jahren zu fahren, als die Strecke doppelt so lang war, aber auf der gleichen Fläche untergebracht war. Obwohl es sich nicht um die einzige Strecke handelt, die gegen den Uhrzeiger-Sinn führt, belastet die Mischung aus Bodenwellen, Höhenunterschieden und Kurven-Geschwindigkeiten die Nackenmuskulatur, die eher an Rechts- als an Linkskurven gewöhnt ist, sehr stark."

Wo man am besten überholt

Der McLaren-Pilot setzt vor allem auf den bewährten Hybridantrieb bei McLaren-Mercedes: "KERS wird auf diesem Kurs eine wichtige Rolle spielen, denn von der Startlinie bis zur ersten Kurve gibt es nur wenig Windschatten. Gegen Ende der Runde gibt es ein langes Bergauf-Stück aus der letzten Kurve heraus - da wird die Power mit Sicherheit auch helfen. Und wenn man hinein in die erste Kurve nicht vorbeikommt, dann kann man auf der Start-Ziel-Geraden zumindest aufschliessen und es auf der kurzen Geraden vor der vierten Kurve mit DRS probieren." Er rechnet fest damit, dass McLaren auch in Sao Paulo zu den Sieganwärtern zählen wird: "Wir haben in Abu Dhabi glaube ich bewiesen, dass McLaren nach wie vor Rennen gewinnen will, obwohl beide Weltmeisterschaften entschieden sind. Ich bin auf jeden Fall entschlossen, meinen vierten Grand-Prix-Sieg in diesem Jahr einzufahren, selbst wenn es bedeutet, bis zur letzten Runde des letzten Rennens darum zu kämpfen."

Whitmarsh gespannt auf Wundertüte Interlagos

Teamchef Martin Whitmarsh blickt noch einmal auf das Wochenende in Abu Dhabi zurück, wo McLaren seinen sechsten Saisonsieg einfahren konnte. "Jeder bei McLaren ist extrem stolz auf Lewis' dominanten Sieg in Abu Dhabi. Wir haben unseren Fokus aber schon auf Brasilien gelegt und erfreuen uns an der Aussicht, die beiden aufeinanderfolgenden Rennen am Ende der Saison 2011 gewinnen zu können." Dabei weiss man in Interlagos nie, was einen erwartet: "Viele der letzten Rennen in Brasilien waren komplex, faszinierend und fesselnd - vor allem für McLaren. 2007 hätten wir um Haaresbreite mit beiden Fahrern den Titel geholt. Im folgenden Jahr hat sich Lewis auf legendäre Art und Weise in der allerletzten Kurve den Titel geschnappt. 2009 holte Jenson den Titel, doch Lewis schaffte es mit unglaublicher Entschlossenheit am Ende doch noch auf das Podest. Im Vorjahr hielten wir uns mit Punkteplatzierungen bei beiden Fahrern im WM-Rennen." Dieses Jahr gibt es für Whitmarsh nur ein Ziel: "Ein Sieg wäre hier besonders zufriedenstellend. Wir spitzen darauf, unseren siebten Saisonsieg einzufahren. Lewis und Jenson haben nun beide drei Mal gewonnen - beide sind gleich motiviert, um den vierten Sieg zu holen. Aus Sicht des Teams befinden wir uns also in einer exzellenten Position."

Hamilton wieder der Alte?


Mit dem Triumph in Abu Dhabi hat sich Lewis Hamilton etwas Luft verschafft. Der Brite war nach mässigen Rennen mit vielen Zwischenfällen bei McLaren gegenüber Teamkollegen Jenson Button ins Hintertreffen geraten, private Probleme taten ihr Übriges, um den Weltmeister 2008 aus dem Gleichgewicht zu bringen. Doch auf dem Yas Marina Circuit nützte Hamilton den Reifenschaden an Sebastian Vettels Red-Bull-Boliden zur Führung und dominierte das Rennen bis zum Schluss in souveräner Manier. Doch hat der 26-Jährige seine Krise nun endgültig überwunden? McLaren-Geschäftsführer Jonathan Neale ist sicher, dass ihm der Sieg auf den richtigen Weg verhilft.

Jubel in der McLaren-Fabrik nach Hamilton-Sieg

"Das hat seinem Selbstvertrauen mit Sicherheit Auftrieb gegeben", stellt er sich hinter seinen Piloten. "Als ich nach dem Wochenende mit ihm gesprochen habe, war mir klar, wie sehr er es genossen hat. Nach jedem Rennen kommen im McLaren Technology Center alle zusammen, um noch einmal zu analysieren, was wirklich hinter den Kulissen passiert ist. Da gab es viele Glückwünsche und viel Applaus für Lewis - das klang wirklich sehr gut." Neale kann nachvollziehen, in welch schwieriger Lage sich Hamilton vor dem Befreiungsschlag in Abu Dhabi befunden hatte: "Lewis war in Abu Dhabi wirklich stark und fuhr das gesamte Wochenende über sehr konstant. Wie jeder Fahrer will er gewinnen. Wenn man aber eine Zeitlang nicht gewinnt, dann wird es sehr schmerzhaft."

Danner: Hamilton hat Button unterschätzt

Formel-1-Experte Christian Danner glaubt, dass Hamiltons erstarkter Teamkollege Jenson Button die Situation für den erfolgsverwöhnten Superstar zusätzlich erschwert hat. "Hamilton hat Button sicherlich unterschätzt", sagt der 53-Jährige gegenüber 'RTL'. "Damit hat er nicht gerechnet, dass dieser locker-entspannte Button auf einmal so schnell fahren kann. Und darin liegt natürlich schon ein kleines Problem." Dennoch sieht Danner die Stallrivalität bei McLaren keineswegs als Problem - ganz im Gegenteil: "Ich glaube, sie ergänzen sich sehr gut. Sie ergänzen sich, weil sie sich fordern, und weil sie auch so unterschiedlich sind und sich trotzdem leben lassen und sich gerne haben. Und das zeigt mal wieder, richtig gute Leute kommen auch als Teamkollegen klar miteinander."

Spielen neue Pirelli-Mischungen Button in die Hände?

Man darf gespannt sein, wie sich die Situation in der kommenden Saison entwickeln wird. Vater Anthony Hamilton hat für 2012 einen "neuen" Lewis Hamilton angekündigt. Für Button spricht, dass die Pirelli-Reifen aller Voraussicht nach auch in Zukunft dem schonenden Fahrstil des "Reifenflüsterers" entgegenkommen werden. Nächstes Jahr möchte man sogar noch weichere Mischungen bringen. "Die Art des Rennfahrens wird insofern gleich sein, dass wir Fahrer sehen werden, die pushen müssen, um die Reifen für eine schnelle Qualifying-Runde auf Temperatur zu bringen", spielt Neale auf Buttons Nachteil als reifenschonender Pilot an. Der Vorteil des Weltmeisters 2009 ist aber, dass der McLaren traditionell ein Auto ist, bei dem die Reifen rasch auf die richtige Temperatur kommen.

Neale: Reifenschonen bleibt Trumpf

"Ganz abhängig vom Auto werden das manche Fahrer in einer Runde schaffen, andere werden drei, vier Runden dafür benötigen", sagt Neale. "Und wenn man wirklich aggressiv ist und ständig im Rückspiegel eines anderen aufblitzt, weil man hin und her fährt um zu überholen, dann wird man definitiv seinen Reifen kaputt machen", verweist er auf Hamiltons Problematik. Doch dafür gibt es ein Gegenmittel, weiß der McLaren-Geschäftsführer: "Wenn Martin Whitmarsh jetzt hier wäre, dann wäre seine Antwort: 'Macht das Auto schneller und fährt vorne weg'. Und ich bin sicher, dass er damit recht hat. Insgesamt denke ich aber, dass es für beide Fahrer gleich sein wird."
24.11.2011