Whitmarsh: "20 Rennen sind am Limit"

Für McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh

sind 20 Saisonrennen okay, aber am Limit - Speziell für die Mechaniker und Ingenieure wird 2012 ein langes Jahr

Aufgrund der Absage von Bahrain wurden in diesem Jahr 19 Rennen ausgetragen. In der kommenden Saison stehen 20 Grands Prix im Kalender. Es wird die längste Saison der Formel-1-Geschichte werden. Auch wenn hinter den Rennen in Bahrain, Südkorea und Austin noch Fragezeichen stehen, bereiten sich die Teams auf das lange Jahr vor. McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh findet, dass 20 Rennen das Maximum sind. Im Concorde-Abkommen ist diese Höchstzahl auch festgelegt. Dennoch werden in den kommenden Jahren New Jersey und Russland hinzukommen.

Speziell für die Mechaniker und Ingenieure ist die Belastung gross. Im Prinzip bleiben nur die letzten Dezember-Wochen und die zweiwöchige Sommerpause zur Erholung "20 Rennen inklusive der vielen Überseerennen sind für das Team hart. Wir sind am Limit", sagt Whitmarsh. "Wir nähern uns einem Punkt, an dem man die Mannschaften wechseln muss, so wie bei der Nascar-Serie. Natürlich ist die Weltmeisterschaft sehr wichtig, aber jeder Grand Prix ist für sich genommen schon sehr speziell. Persönlich finde ich, dass wir nicht mehr als 20 Rennen austragen sollten. Ich weiss, dass es immer um mehr Geld geht, aber 20 Rennen sind viel und wir sind damit am Limit." Im Rampenlicht stehen zwar die Fahrer, aber viele Leute kümmern sich um die Vorbereitungen, den Auf- und Abbau der Boxen, den Einsatz der Autos und so weiter. Mit Ausnahme der Sommerpause geht es von Anfang Januar bis Dezember durch.

"Wir werden damit im nächsten Jahr zurecht kommen", sagt Whitmarsh. "Trotzdem ist es schwierig, weil wenn das Team in Brasilien zusammengepackt hat und wieder daheim ist, ist es schon Dezember. Im Januar bauen die gleichen Leute die neuen Autos auf. Dann wird im Februar getestet und anschliessend geht es auf Weltreise. Es ist ein unglaublich schwieriger und herausfordernder Job für die Mechaniker, Techniker und Ingenieure. Glücklicherweise sind wir ein grosses Team und jeder liebt die Herausforderungen. Mit 20 Rennen wird es eine grosse Herausforderung werden, aber wir werden es schaffen." Trotz der Ressourcen-Restriktionen (RRA) ist McLaren ein grosses und gut aufgestelltes Team. Bei kleineren Mannschaften sind die Anstrengungen ungleich höher.

Jenson Button bewundert die Arbeit der Teammitglieder und zeigt den Unterschied zu den Piloten auf. "Wir Fahrer lieben den Rennsport. Deshalb sind wir dabei. Für uns ist die Anzahl der Rennen egal, aber man muss an die Leute denken, die non-stop arbeiten, nämlich die Mechaniker und die Ingenieure. Für sie ist es schwierig und viel härter als für uns Fahrer. Wir reisen am Mittwoch an oder manchmal erst Donnerstagvormittag. Diese Jungs reisen zwei, drei Tage vor uns an. Wenn wir am Sonntag bereits abreisen, dann packen sie noch bis Montag alles zusammen. Es besteht ein grosser Unterschied zwischen ihren Arbeitsstunden an einem Rennwochenende und unseren. Diese Leute sind definitiv am Limit, nicht wir Fahrer."

Auch FIA-Präsident Jean Todt findet, dass 20 Rennen in Ordnung sind, aber die Höchstgrenze darstellen. "Der Kalender wird vom Rechtevermarkter gemacht, oder besser gesagt von Bernie Ecclestone. In diesem Jahr sind es 19 Rennen und im kommenden 20", wird der Franzose von der 'Times of India' zitiert. "Es handelt sich um eine Weltmeisterschaft und die Teams sollten bereit sein, viel zu reisen. Ich denke, dass 20 Rennen gut sind und wir diese Zahl nicht erhöhen sollten."

"Müssen in den USA Erfolg haben"


Die Formel 1 ist nahezu auf der gesamten Welt erfolgreich. Lediglich in den Vereinigten Staaten von Amerika tat sich die selbst ernannte Königsklasse des Motorsports in der Vergangenheit regelmässig schwer, Fuss zu fassen. In der in erster Linie durch NASCAR, IndyCar und Drag Racing geprägten Motorsportslandschaft der USA hat der Grand-Prix-Zirkus in puncto Publikumsakzeptanz seit jeher einen schweren Stand. Dessen sind sich alle Beteiligten bewusst. Umso wichtiger wird es für die Formel 1 sein, bei der Rückkehr in die "Neue Welt" in Form des Grand Prix der USA in Austin (November 2012), spätestens aber mit dem spektakulären Stadt-Grand-Prix vor der Skyline von Manhattan, Erfolg zu haben. Für McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh, der als Mitglied der FOTA zudem die Interessen aller Teams vertritt, ist dies ein entscheidender Punkt auf der Agenda für die kommenden Jahre.

"Die USA waren in meinen Augen lange Zeit ein vernachlässigtes Territorium was die Formel 1 angeht", sagt Whitmarsh und gibt zu bedenken: "Dabei ist dieses Land ein riesiger Markt." Rennen an der Ost- und Westküste wären laut Whitmarsh "grossartig". Der erste Schritt hierzu wurde mit der Verkündung eines Zehnjahresvertrags über die Austragung eines Stadtrennens im Hafengebiet von New Jersey getan. "New Jersey hört sich hinsichtlich des Standorts mit der Skyline von Manhattan im Hintergrund fantastisch an. Das wird sicher ein grosser Erfolg", so Whitmarsh, der Gleiches auch vom Rennen im texanischen Austin erwartet. Für den Erfolg der Formel 1 ist in den Augen des McLaren-Teamchefs ein Punkt von entscheidender Bedeutung: "Wir müssen akzeptieren, dass Amerika die Formel 1 nicht braucht." Der Grand-Prix-Sport müsse daher eine andere Herangehensweise an den Tag legen. "Unser Ziel muss es sein, unsere gesamten Energien zu bündeln, um die Formel 1 in den USA zu einem Erfolg werden zu lassen. Ich sehe das so: Die Amerikaner mögen Autos und mögen die Tatsache, dass die Formel 1 in technologischer Hinsicht die Spitze im Motorsport darstellt. Was nun noch fehlt, ist ein erfolgreicher Formel-1-Pilot aus den Vereinigten Staaten. Ohne jemanden beleidigen zu wollen, sehe ich derzeit allerdings keinen. Ich hoffe, das ändert sich in der Zukunft", so der Brite, der es dem in der Renault-World-Series (WSbR) erfolgreichen Alexander Rossi offenbar nicht zutraut, in die Fussstapfen von Mario Andretti und Co. zu treten. Bis die USA ihren eigenen Formel-1-Helden haben, will Whitmarsh mit anderen Qualitäten punkten.

"Was wir tun können ist zum einen, den Leuten zu zeigen, dass wir eine tolle Show bieten können und zu anderen ihnen die technologischen und taktischen Aspekte unseres Sports näherbringen. Das braucht einfach seine Zeit. In Europa, Südamerika und Asien war es nicht anders. Mittlerweile wird die Formel 1 dort geliebt. Wichtig für uns ist, dass wir in den USA künftig erfolgreicher sind als in der Vergangenheit, weil es ein enorm wichtiger Markt für die Formel 1 ist. Zwei Rennen dort auszutragen, ist eine tolle Sache." In Bezug auf den von den Amerikanern überaus geliebten Showaspekt müsse laut Whitmarsh nichts Grundlegendes geändert werden. "Wir haben in diesem Jahr eine tolle Show gezeigt. Einige Rennen wie beispielsweise jenes in Kanada waren wirklich fantastisch", sagt der McLaren-Teamchef nicht zuletzt im Hinblick auf die in dieser Saison für Spannung sorgenden Faktoren DRS und die Pirelli-Reifen und fügt abschliessend hinzu: "Jetzt liegt es an uns, das Potenzial der neuen Standorte in den USA zu nutzen."

2.11.2011