Ferrari droht (wieder) mit Formel-1-Ausstieg

Luca di Montezemolo verhandelt wieder einmal

mit harten Bandagen

Es ist fast schon zur Tradition geworden: Jedes Mal, wenn ein neues Concorde-Agreement verhandelt wird (das aktuelle läuft Ende 2012 aus), droht Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo mit dem Ausstieg aus der Formel 1, um seine Position zu stärken. Letztendlich hat er sich dann aber doch stets mit Bernie Ecclestone geeinigt.

Jetzt wird wieder mit den Säbeln gerasselt: "Die Formel 1 ist immer noch unser Leben, aber ohne Ferrari gibt es keine Formel 1 - genau so, wie Ferrari ohne die Formel 1 anders wäre", so Montezemolo am Rande des Ferrari-Weltfinales am vergangenen Wochenende in Mugello. Ferrari könne zwar "sehr geduldig" sein, aber: "Es gibt präzise Bedingungen, die wir uns vorstellen, wenn wir mit unserer Arbeit fortfahren sollen."

Zu wenig Technologietransfer

"Wir fahren nicht nur der Publicity wegen Rennen, sondern vor allem wegen der Forschungsmöglichkeiten für alle Bereiche unserer Straßenwagen-Produktion: Motor, Chassis, mechanische Komponenten, Elektronik, Materialien und Aerodynamik", argumentiert der Italiener und verweist auf den Technologietransfer, "der in den vergangenen 20 Jahren exponentiell gewachsen ist" und für den es in der Formel 1 derzeit nur eingeschränkte Möglichkeiten gibt. Vor allem stösst sich Montezemolo am Testverbot während der Saison, am seiner Meinung nach zu starken Einfluss der Aerodynamik und am Kundenauto-Verbot: "Ich finde nicht so gut, dass 90 Prozent der Performance rein von der Aerodynamik abhängig sind. Ein weiterer negativer Punkt ist, dass unser Sport der einzige Sport ist, in dem man nicht testen oder trainieren darf. Wir bauen Autos, keine Helikopter, Raketen oder Flugzeuge", sagt er.

Eine Lockerung des Testverbots sei daher unausweichlich: "Natürlich dürfen wir nicht zu den Exzessen von vor ein paar Jahren zurückkehren, aber wir sollten auch nicht in einer Position sein, dass wir den jungen Fahrern der Ferrari-Akademie keine Testmöglichkeiten anbieten können", kritisiert Montezemolo. Derzeit kann Ferrari den Nachwuchshoffnungen aus diversen Formelklassen nur mindestens zwei Jahre alte Formel-1-Boliden zum Testen anbieten. Und dann wünscht sich Ferrari auch noch die Zulassung von Kundenautos: "Das unterstützen wir weniger in unserem eigenen Interesse als vielmehr im Interesse des Sports allgemein", so der Ferrari-Präsident. "Wir glauben, es ist im Interesse der Fans, Medien und Sponsoren, wenn es mehr konkurrenzfähige Autos auf der Strecke gibt, anstelle von Autos, die zwei oder drei Sekunden langsamer sind und schon nach wenigen Runden überrundet werden."

Privat eingesetzte Ferraris denkbar?

Als Beispiel nennt er den Frankreich-Grand-Prix 1961 in Reims: "Giancarlo Baghetti hat damals mit einem privat eingesetzten Ferrari gewonnen", erinnert sich Montezemolo. "Es wäre doch schön, in Zukunft eines unserer Autos in den amerikanischen oder chinesischen Farben zu sehen, oder auch in den Farben von Abu Dhabi." Ein Modell, mit dem Ferrari naturgemäß viel Geld verdienen könnte... Daher hat in den vergangenen Tagen ein erster Annäherungsversuch stattgefunden. Ecclestone kann sich dem Vernehmen nach vorstellen, Kundenautos wieder zuzulassen, um Ferrari einen Gefallen zu tun und zur Unterschrift unter das neue Concorde-Agreement zu bewegen. Im Gegenzug könnte Ferrari bei der Frage nach der Einnahmenverteilung etwas weniger hart verhandeln. Und: Wenn Ferrari einmal unterschrieben hat, unterschreibt erfahrungsgemäss auch der Rest.

Aber noch ist es nicht so weit: "Wir werden unsere Ansichten bestmöglich vertreten, aber eines muss klar sein: Wenn man uns zustimmt, ist das schön, aber wenn nicht, dann müssen diejenigen einfach unsere Position akzeptieren", lässt Montezemolo kaum Verhandlungsspielraum. "Wenn die Formel 1 Ferrari will, dann muss sie zum höchsten Forschungsniveau zurückkehren - und gleichzeitig ein Auge auf die Kosten haben. Wir sind als Konstrukteure in der Formel 1, nicht als Sponsoren."

Der "Pferdeflüsterer" am Wort


Im Rahmen des Ferrari-Mondiali-Weltfinales in Mugello deutete Luca di Montezemolo zwischen den Zeilen an, dass sich seine Scuderia aus der Formel 1 zurückziehen könnte, sollten ihre Wünsche nicht akzeptiert werden: "Eines muss klar sein: Wenn man uns zustimmt, ist das schön, aber wenn nicht, dann müssen diejenigen einfach unsere Position akzeptieren", war eines der Statements, das als Ausstiegsdrohung verstanden wurde. Doch tags darauf distanziert man sich in Maranello von diesem Säbelrasseln. Dazu packt die Presseabteilung einmal mehr den sogenannten "Pferdeflüsterer" aus, einen anonymen Kolumnisten, der Ferrari-Standpunkte vertritt, ohne dass Ferrari darunter steht. Veröffentlichen darf der "Pferdeflüsterer" freilich auf der offiziellen Medienseite des italienischen Sportwagenherstellers, was dem Ganzen sehr wohl offiziellen Charakter verleiht. Man habe Montezemolos Beobachtungen als Ausstiegsdrohungen verstanden, "aber der Flüsterer kann versichern, dass es nichts dergleichen war", heisst es in der Ferrari-Stellungnahme. Denn die Wörter "verlassen" oder "Ultimatum" seien nie vorgekommen. Vielmehr habe Montezemolo "auf konstruktive Art und Weise" gesprochen, weil ihm das Wohl der Formel 1 als Königsklasse des Motorsports am Herzen liege.

Weiter heisst es: "Wenn er sagt 'Die Formel 1 ist immer noch unser Leben, aber ohne Ferrari gibt es keine Formel 1 - genau so, wie Ferrari ohne die Formel 1 anders wäre', bedeutet das, dass Maranello immer noch an vorderster Front mitarbeitet, wenn es darum geht, Pläne für die Zukunft des Sports zu schmieden. Die Kritik und die Kommentare von gestern sind außerdem nicht neu, sondern Montezemolo hat sie schon davor geäussert." Man sollte seine Statements daher nicht als Drohung, sondern vielmehr als Anregung verstehen. Doch dass sich Ferrari mit der angedeuteten Aussage, man brauche die Formel 1 nicht um jeden Preis, schon für die Verhandlungen über ein neues Concorde-Agreement in Position bringt, ist in Insiderkreisen unbestritten. Mit dem jüngsten Säbelrasseln könnte Montezemolo andeuten, dass es nun an Bernie Ecclestone liegt, Ferrari bis zur Unterschrift zu hofieren...

Montezemolo trauert um Simoncelli


Ferrari feierte am vergangenen Wochenende in Mugello den offiziellen Saisonabschluss, auch wenn zumindest in der Formel 1 noch zwei Rennen zu fahren sind. Doch in die Feierlichkeiten mischte sich auch ein Hauch von Melancholie, vor allem wegen des kürzlichen Todes des italienischen MotoGP-Piloten Marco Simoncelli. Als Luca di Montezemolo im Juli die MotoGP in Mugello besuchte, lobte er seinen Landsmann. Auf die Frage, welche MotoGP-Piloten er für die Formel 1 verpflichten würde, antwortete er damals: "Einer wäre Stoner. Er ist ein guter Typ und mental stark. Ich hab ihn schon immer gemocht. Der zweite Fahrer wäre Simoncelli. Er erinnert mich etwas an die jungen Jahre von Villeneuve. Ich habe ihn wegen seines Temperaments, wegen seiner Grosszügigkeit und wegen seines Mutes mit Gilles Villeneuve verglichen, sowohl als Mann wie auch als Rennfahrer", erinnert sich der Ferrari-Präsident an seine damaligen Aussagen. "Ich rede heute gerne über ihn, gerade hier, wo er so oft mittendrin war und gekämpft hat. Er war ein erstaunlicher Bursche, ein echter Romagnoli, sehr talentiert", streut Montezemolo dem Verstorbenen Rosen. "Meine Gedanken sind bei seiner Familie, die beispielhaft auf diese Tragödie reagiert haben und für ihr Verhalten Respekt und Lob verdienen." Gleichzeitig gedenkt der Italiener auch den Flutopfern von Genua: "Es ist eine unglaubliche Tragödie", bedauert er und stellt ob seiner Ausführungen zu diesem Thema klar, dass es ihm dabei nicht darum geht, sich politisch für eine mögliche Karriere als Premierminister in Position zu bringen. Solche Ambitionen sagt man Montezemolo neuerdings wieder nach.

Berger im V12-Ferrari

Gerhard Berger erwärmte die Herzen der Tifosi im legendären Ferrari 412 T2


Obwohl noch zwei Formel-1-Rennen ausstehen, feierte Ferrari bereits am vergangenen Wochenende mit dem Weltfinale (Ferrari Mondiali) in Mugello den offiziellen Saisonabschluss. Hintergrund ist, dass die Grand-Prix-Saison immer länger dauert, ein Saisonabschluss erst im Dezember wegen des norditalienischen Winters aber nicht möglich gewesen wäre. Bei frostigen Temperaturen erwärmte dafür Gerhard Berger die Herzen der Tifosi, denn der ehemalige Ferrari-Pilot fuhr noch einmal mit seinem 412 T2 aus der Saison 1995 aus, in den Augen zahlreicher Fans einer der schönsten Formel-1-Ferraris aller Zeiten - und noch dazu der letzte mit V12-Motor. Anschliessend drehten auch die Testfahrer Giancarlo Fisichella und Marc Gene Demorunden mit Formel-1-Boliden (F2008 aus der Saison 2008 und F10 aus der Saison 2010).

Rund 10.000 Fans liessen sich die Show, bei der eigentlich die Finalrennen diverser Ferrari-Markenpokale auf der ganzen Welt im Mittelpunkt standen, nicht entgehen. Sie färbten die Haupttribüne in die italienischen Nationalfarben ein, schliesslich stand das Ferrari-Jahr 2011 ganz im Zeichen des 150-jährigen Jubiläums der Republik Italien. Daher trägt das aktuelle Formel-1-Auto auch den Namen 150° Italia.

In der Formel 1 war es übrigens kein einfaches Jahr: "Wir haben für die tolle Aufholjagd 2010 den Preis bezahlt", glaubt Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo, der sich von den Tifosi wie ein Rockstar feiern liess. "Wir hatten daher nicht das Auto, das ich mir oder das sich die Fans gewünscht hätten." Positiv streicht er Fernando Alonsos Sieg in Silverstone hervor, "60 Jahre nach Froilan Gonzalez' erstem Sieg für Ferrari in der höchsten Klasse des Motorsports. Ausserdem können wir stolz darauf sein, dass wir seit 1997 bis heute immer ein WM-Kandidat waren und den Titel entweder gewonnen oder bis zum letzten Rennen darum gekämpft haben - mit ganz wenigen Ausnahmen. Und das noch dazu in einer Ära, in der sich unsere Rivalen ständig geändert haben: zuerst Williams, dann McLaren und jetzt Red Bull", gibt der Ferrari-Präsident, der bald in die Politik gehen möchte, zu Protokoll.

Ausserdem spricht er der Strecke in Mugello ein Riesenlob aus: "Wir haben viel Geld in diese Strecke investiert, die eigentlich einen Formel-1-Grand-Prix beherbergen sollte", findet er. "Es ist ein wunderschöner Kurs. Vor allem die neue Tribüne, von der aus man das gesamte Gelände übersehen kann, ist wichtig und weltweit sehr selten." Mugello ist pro Jahr an 260 bis 270 Tagen ausgebucht - nächsten Mai auch wieder mit offiziellen Formel-1-Tests.

Neue Partnerschaft mit Uhrenhersteller


Am Rande des Ferrari-Mondiali-Weltfinales in Mugello hat die Scuderia aus Maranello am vergangenen Wochenende eine neue Partnerschaft mit dem Schweizer Uhrenhersteller Hublot bekannt gegeben. Hublot ist ab sofort offizieller Zeitnehmer aller Ferrari-Markenpokale und darf zudem offizielle Ferrari- und Scuderia-Ferrari-Uhren in seinem Sortiment anbieten. "Exklusivität, Technologie und Leidenschaft gehören zu den vielen Dingen, die Ferrari und Hublot gemeinsam haben", erklärt Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo anlässlich der Bekanntgabe.

Hublot ist seit 2010 auch einer der Seriensponsoren der Formel 1.

8.11.2011