Bildergalerie zum Qualifying: Hamilton is back

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Vielleicht war es der Weltmeister-Kater, vielleicht die alternative Reifenstrategie, vielleicht einfach nur Zufall: Red Bulls lupenreine Pole-Position-Weste, die seit Nico Hülkenbergs Husarenstück in Brasilien 2010 keinen Fleck mehr abbekommen hatte, wurde heute in Südkorea von einem überragenden Lewis Hamilton angepatzt - ausgerechnet eine Woche nach der Titelentscheidung in Japan.

Champion Sebastian Vettel wirkte in den Freien Trainings fast so, als wäre nach der gewonnenen Weltmeisterschaft ein bisschen die Luft draussen, doch im Top-10-Finale war der Heppenheimer auf den Punkt wieder da. Trotzdem reichte es nicht ganz, um auf den ersten Startplatz zu fahren, sondern er musste sich 0,222 Sekunden hinter Hamilton mit der zweiten Position zufrieden geben. Red Bull entgeht damit die historische Chance auf eine "perfekte" Pole-Position-Saison.

Vettel auch über Platz zwei glücklich

Vettel ist trotzdem froh, sechs Tage nach Suzuka zumindest in der ersten Startreihe zu stehen: "Nach der anstrengenden Woche ist es gut zu sehen, dass wir uns wieder zusammengerappelt haben und im Qualifying auf den Punkt genau da waren", freut sich der Zweite des (trockenen) Qualifyings in Yeongam. "Ich bin sehr glücklich, gerade weil es Anfang des Wochenendes ehrlich gesagt nicht so gut ausgesehen hat. McLaren sah gestern sehr stark aus. Die Bedingungen waren ganz anders, aber man konnte sehen, dass sie weit vor allen anderen lagen, uns eingeschlossen", analysiert er. "Das bestätigte sich heute Morgen. Im Qualifying haben wir aber alles gegeben und sind näher rangekommen als erwartet. Ausserdem haben wir harte Reifen gespart, was morgen entscheidend sein könnte. Ich denke, wir befinden uns in einer guten Ausgangsposition. Der Reifenverschleiß wird entscheidend sein."

Denn Red Bull überraschte, als Vettel und auch Mark Webber (4./+0,648) schon in Q1 mit den roten Supersoft-Pirellis auf die Strecke geschickt wurden. Das war Kalkül, um möglicherweise im Rennen zurückschlagen zu können, denn im Qualifying war gegen Hamilton kein Kraut gewachsen. Der zuletzt teilweise scharf kritisierte Weltmeister von 2008 fuhr in allen drei Sessions Bestzeit und steigerte sich in Q3 von 1:36.130 auf 1:35.820 Minuten. Da konnte niemand dagegenhalten. "Das ist das erste Erfolgserlebnis seit einiger Zeit", freut sich Hamilton. "Es ist ein schönes Gefühl, wieder auf Pole zu stehen. Ich hatte in der Vergangenheit einige schwierige Rennen. Hoffentlich bekomme ich es morgen besser hin." Aber man sieht dir die Freude nicht unbedingt an, oder Lewis? "Ich bin sehr glücklich", entgegnet er mit ernster Miene. "Hier so weit vorne stehen und Red Bull zu schlagen, stimmt mich sehr optimistisch. Aber morgen ist der Tag, an dem es zählt."

Webber muss letzten Run abbrechen

Kurz sah es im Finish sogar nach einer kompletten ersten Startreihe für McLaren aus, als sich Jenson Button von 1:36.566 auf 1:36.126 Minuten steigern konnte, aber Vettel splittete die chrom-silbernen Boliden aus Woking und bezwang den Suzuka-Sieger um 84 Tausendstelsekunden. Webber, nach dem ersten Run noch Dritter, musste seine zweite Attacke abbrechen und fiel daher in der Startaufstellung noch auf Position vier zurück.

Bei McLaren ist die Freude über das Ergebnis riesengross, besonders vor dem morgigen Jubiläum: "Es ist lange her", strahlt Teamchef Martin Whitmarsh über die erste Pole-Position seit Kanada 2010. "Wir wollen unseren 700. Grand Prix gewinnen. Sebastian ist nicht einfach zu schlagen, aber letzte Woche haben wir es geschafft. Das werden wir morgen wieder probieren." Das gilt nicht nur für Hamilton: "Nicht ganz das Optimum, aber vom dritten Platz aus ist noch alles möglich", meint Button. Zumal das Qualifying theoretisch noch ein Nachspiel haben könnte (hat es aber nicht), denn Vettel kürzte auf seiner In-Lap nach dem ersten Q3-Run die Strecke ab. Zuvor hatte ihn sein Team via Funk angewiesen, möglichst schnell an die Box zurückzukommen, was Absicht vermuten lässt. "Meiner Meinung nach nicht legal", analysiert Experte Marc Surer. "Wenn du einen Reifenschaden hast, sieht man darüber hinweg, aber so ist es eindeutiges Abkürzen, um rechtzeitig an der Box zu sein."

Massa schlägt Alonso

Eine kleine Überraschung gab es teamintern bei Ferrari, denn Felipe Massa (5.) gewann das Stallduell gegen Fernando Alonso (6.) um 0,149 Sekunden, obwohl er im Gegensatz zur spanischen Nummer eins noch mit dem alten Frontflügel auskommen musste. Siebter wurde Nico Rosberg, obwohl er in Q3 nur einen einzigen Run hinlegte. "Der siebte Platz war das Beste, was heute möglich war", glaubt der Mercedes-Pilot. "Die anderen vorne waren viel zu weit weg." Dachte sich wohl auch Adrian Sutil (Force India) und blieb im letzten Abschnitt ganz an der Box - was ihn möglicherweise einen Startplatz gekostet hat. Denn zunächst wartete auch sein Teamkollege Paul di Resta zu, der ging dann aber doch noch raus. Wäre di Resta nicht mehr auf die Strecke gefahren, hätte Sutil wegen der niedrigeren Startnummer Anspruch auf Rang neun gehabt, so wurde er nur Zehnter. Vor den beiden Force Indias auf Platz acht: Witali Petrow (Renault).

Das prominenteste Opfer in Q2 war Michael Schumacher. Der Mercedes-Pilot klagte erst über Vibrationen, kam dann früh an die Box zurück und landete letztendlich nur auf der zwölften Position, hinter Jaime Alguersuari (Toro Rosso). "Die Reifen hätten nicht mehr hergegeben", meint Schumacher. "Wir hatten vorausberechnet, ein Polster von einer halben Sekunde auf die zu haben, die hinter uns hätten liegen können. Insofern war es absolut gerechtfertigt, nur einen Reifensatz dafür zu verplanen. Zum Schluss ging die Zeit aus, um noch einmal frische Pneus zu holen", erklärt er. "Ich merkte schon beim Hinausfahren, dass mit diesem Reifensatz etwas nicht in Ordnung war. Ich hatte Vibrationen. Ich dachte aber: 'Naja, eine halbe Sekunde hast du in der Hand, das sollte schon reichen.' Das tat es nicht und jetzt müssen wir schauen warum und weshalb."

Sauber deutlich hinter Force India

Eine Enttäuschung setzte es für das Sauber-Team, denn mit den Startplätzen 14 (Kamui Kobayashi) und 17 (Sergio Perez) waren die Hinwiler von den drei Rennställen, die um den sechsten WM-Platz kämpfen, hinter Force India und Toro Rosso nur letzte Kraft. Williams verlor ein Auto gar schon in Q1, als Routinier Rubens Barrichello die Segel streichen musste - gemeinsam mit den üblichen sechs Kandidaten der drei "neuen" Teams.

Bei Lotus gewann Heikki Kovalainen das Stallduell gegen Jarno Trulli um eine halbe Sekunde, bei Marussia-Virgin ohrfeigte Timo Glock Jerome D'Ambrosio gleich um fast eineinhalb Sekunden. Pech hatte Daniel Ricciardo (HRT), der wegen technischer Probleme gar nicht am Qualifying teilnehmen konnte. Man kann aber davon ausgehen, dass ihn die FIA-Rennkommissare auch ohne 107-Prozent-Zeit zum Rennen zulassen werden. Wer nun Favorit auf den Sieg beim viertletzten WM-Lauf des Jahres ist, ist schwierig einzuschätzen, schliesslich ist der für die Rennvorbereitungen normalerweise entscheidende Freitag fast komplett ins Wasser gefallen. Doch während bei Red Bull die Anspannung ein bisschen nachzulassen scheint, wirkt Hamilton dieses Wochenende so heiss wie schon lange nicht mehr, erstmals seit Deutschland wieder einen Grand Prix zu gewinnen...

15.10.2011