Wie McLaren die WM noch drehen will

Unerreichbares Ziel?

McLaren will Red Bull in der WM bald besiegen

In Barcelona war Jenson Button die Ernüchterung ins Gesicht geschrieben. Der McLaren-Pilot konnte es nicht fassen, dass Red Bull im Qualifying um mehr als eine Sekunde vor seinem Rennstall lag. "Sie sind so schnell im Qualifying, aber niemand weiss, warum", so ein zerknirschter Button. "Wir haben das Gefühl, dass sie viel mehr Abtrieb haben als wir - das sieht nach 30 Punkten Abtrieb aus. Das ist kein Rückstand, den man in weniger als sechs oder sieben Rennen wettmacht."

Doch was genau meinte Button damit, dass Red Bull in Sachen Abtrieb 30 Punkte vor McLaren liegt? McLaren-Technikchef Paddy Lowe versucht sich in einer Erklärung: "Ein Punkt ist in der Formel 1 ein Code für den Hundertstel-Anteil des 'cl' - und 'cl' steht für den Abtriebskoeffizienten. Physikalisch besitzt ein Formel-1-Auto einen Abtriebskoeffizienten von - sagen wir mal - 3 bis 3,5. 30 Punkte wären dann 30 Hundertstel, was gleich 0,3 ergibt. 30 Punkte wären dann 10 Prozent des Abtriebs eines Formel-1-Autos - das wäre dann ungefähr eine Sekunde pro Runde wert." Soweit, so gut - doch Lowe ist nicht der gleichen Meinung wie sein Fahrer: "ich stimme nicht zu, dass wir dieses Defizit auf Red Bull haben. Ich denke, dass wir bei den vergangenen Rennen schneller als sie waren - im Renntrim. Unser Auto übertrifft sie an diesem Zeitpunkt des Wochenendes." Auch wenn der MP4-26 im Rennen tatsächlich schneller ist als im Qualifying, kann Lowe damit die Schwäche auf eine schnelle Runde nicht wegdiskutieren.

Im Qualifying tappt McLaren im Dunkeln

"Im Qualifying gibt es eine ganz schöne Lücke, die wir wettmachen müssen", so Lowe. "Woran das liegt und woher Red Bull diesen Vorteil nimmt, wissen wir nicht, aber wir arbeiten hart daran, die Performance zu finden - speziell unter Rennbedingungen. Ich denke, dass wir unsere Stärken ausspielen und Rennen gewinnen können, indem wir am Sonntag schneller sind und eine bessere Strategie haben." Button prognostizierte, dass es an die sieben Rennen dauern könnte, bis man den Rückstand im Qualifying aufgeholt hat - auch dieser Ansicht des Weltmeister 2009 will sich Lowe nicht kampflos anschliessen: "Ich weiss es nicht, aber ich hoffe nicht."

Mit Kanada steht nun ein Kurs auf dem Programm, auf dem es neben Motorleistung und Höchstgeschwindigkeit auch um Traktion aus langsamen Kurven ankommt. Dass der Mercedes-Motor viel Kraft hat, ist bekannt, aber wie steht es um die Traktion? "Ich denke, dass unser Auto in langsamen Kurven stark ist", ist Lowe zuversichtlich. "Wir haben in Monaco eine gute Performance gesehen, vor allem im Rennen. Autos, die in Monaco funktionieren, funktionieren normalerweise auch in Kanada."

Lowes Masterplan

Abgesehen davon hält er den MP4-26 für ein Fahrzeug, das vielseitig einsetzbar ist: "Wir waren auch in Spanien im Renntrim schnell, daher denke ich, dass das Auto in allen Kurventypen gut funktioniert, Aus diesem Grund sind wir in einer guten Position, um es mit Red Bull aufzunehmen und - wenn wir es schaffen - zu gewinnen."

Dass man in der Weltmeisterschaft schon deutlich hinter Sebastian Vettel und Red Bull zurückliegt, sieht der Brite nicht als Hinderungsgrund: "Es liegen noch zwölf oder 13 Rennen vor uns. Die Weltmeisterschaft ist noch nicht entschieden, obwohl Vettel in der Fahrer- und Red Bull in der Konstrukteurs-WM führt. Unser starken Rennleistungen auf engen Strecken wie Monaco und auf Strecken wie in Spanien, die zuerst sehr schwierig für uns und sehr gut für Red Bull aussahen, geben uns Auftrieb."

Bleibt eine grosse Problemzone: das Qualifying. "Wenn wir da die Lücke schliessen und am Sonntag von unserem starken Renntempo mehr profitieren können, dann sind wir in einer guten Position, um viele Rennen zu gewinnen und um uns zurück in das WM-Rennen zu bringen", hofft der McLaren-Technikchef. "Wir fühlen uns in unserer derzeitigen Lage sehr kampfeslustig, auch wenn der Punktestand isoliert betrachtet etwas deprimierend aussieht."

8.6.2011