Vettel und das Risiko um KERS

Sebastian Vettel:

6. Pole im 7. Rennen, doch diesmal eingerahmt von Rot. Ferrari-Rot.

Der Red-Bull-Pilot über sein Qualifying und warum er sicher ist, dass es genug Faktoren gibt, die das Rennen schwieirg, aufregend und spannend machen.

Frage: Sechs Pole-Positionen in sieben Rennen! Das wird langsam zur Routine...


Sebastian Vettel: Ich glaube, so darf man das nie sehen, denn dann geht es in die andere Richtung. Es ist jedes Mal ein ganzes Stück Arbeit. Es war wichtig, nach meinem Patzer gestern und dem Kuss der Wand, dass wir das Auto wieder schnell reparieren konnten.

Dabei war man nicht davon ausgegangen, dass dies die stärkste Strecke von Red Bull ist, aber dennoch hast du es hier wieder geschafft.

Ja, ich denke, dass wir im Vergleich zum vergangenen Jahr etwas Boden gutgemacht haben. Wir hatten uns vergangenes Jahr natürlich einer anderen Strategie verschrieben gehabt und opferten das Qualifying. In diesem Jahr habe ich jedoch hier ein ganz gutes Gefühl. Ich hatte gestern Vormittag einen holprigen Start, aber die Jungs konnten das Auto rechtzeitig reparieren und ich hatte am Nachmittag etwas mehr Training, was hier wichtig ist. Aufgrund der Randsteine und Schikanen, die man mit hohen Geschwindigkeiten und harten Bremsmanövern erreicht, ist es eine schwierige Strecke. Ich denke jedoch, dass wir ein reibungsloses Qualifying und zwei sehr gute Versuche hatten. Wir waren in der Lage, auf der ersten gezeiteten Runde die Reifen zu nutzen. Alles in allem bin ich aus diesem Grund sehr glücklich. Es ist natürlich ein grosser Schritt. Aber die Hauptaufgabe kommt morgen. Die Bedingungen werden sich wahrscheinlich ändern, wir werden also etwas Regen sehen. Die Frage ist wann und wie viel. Wir werden sehen. Aber Position eins ist die bestmögliche Startposition.

In den vergangenen zwei Rennen hast du ganz schön viel Druck bekommen, konntest den Sieg dennoch holen. Erwartest du morgen von den Ferrari Ärger?

Keinen Ärger, aber Druck, ja, das ist klar. Wir haben das gesamte Wochenende über gesehen, dass es ziemlich knapp ist. Als wir in dieses Wochenende gingen, da wussten wir, dass dies wohl nicht unser stärkster Kurs ist. Wir mögen Hochgeschwindigkeitskurven. Hier findet man nicht zwangsläufig viele von ihnen, aber dennoch haben wir es geschafft, heute das schnellste Paket zu haben, den besten Job zu erledigen. Ich denke aus diesem Grund, dass wir sehr zuversichtlich sein können. Die Versuche, die wir hatten, sahen sehr vielversprechend aus. Ich denke, dass die Geschwindigkeit im Auto vorhanden ist. Mit Sicherheit ist es nie einfach und es wird auch morgen nicht einfach sein, ich denke jedoch, dass wir auch in den vergangenen beiden Rennen bereit zum Kämpfen waren. Wir werden sehen, was morgen passiert.

Wenn man sich das Training und das Qualifying anschaut, so war es für dich ein wenig ein Auf und Aber angesichts dessen, was gestern passiert ist. Aber heute stehst du wieder auf der Pole.

Ja, ich muss aus diesem Grund sicherstellen, dass es für mich keine Gewohnheit wird, das Auto am Freitag zu crashen und am Samstag auf der Pole zu stehen. Am Freitag ist es natürlich das Ziel, so viele Runden wie möglich zu fahren, ohne das Auto zu beschädigen. Das Team hat sehr hart gearbeitet. Zu Beginn gab es keine grosse Chance oder Hoffnung, in der zweiten Einheit wieder auf die Strecke zu gehen. Aber sie haben es sehr schnell repariert. Glücklicherweise gab es nicht allzu viele Beschädigungen, und wir hatten das gesamte zweite Training, was sehr gut und auch für heute sehr wichtig war. An diesem Ort muss man wirklich in einen Rhythmus kommen, denn schlussendlich muss man alles auf dieser harten Strecke mit den Randsteinen und so weiter aus seinem Auto herausquetschen. Wie ich schon sagte, es ist wichtig, ein paar Runden zu haben, um einen Rhythmus zu finden und im Qualifying hatten wir im ersten und im zweiten Qualifying-Durchgang ein gutes Gefühl. Wir wussten, dass wir uns im dritten Qualifying-Durchgang noch etwas verbessern können, wenn wir alles zusammenbekommen. Ich denke dennoch, dass man im ersten und im zweiten Qualifying-Durchgang gesehen hat, dass wir nicht einfach herumfahren und unsere Witze machen, es war also sehr, sehr eng. Als wir in dieses Wochenende gingen, da wussten wir, dass dies wohl nicht unsere Lieblingsrennstrecke ist, aber wir haben dennoch ein sehr starkes Paket auf die Beine gestellt. Wir hatten ein paar neue Teile, und sie scheinen sehr gut zu funktionieren. Bisher hatten wir ein grossartiges Wochenende und haben unsere Hausaufgaben erledigt. Es ist natürlich für Mark etwas schade. Er war nicht in der Lage, heute Morgen zu fahren, was für ihn sicherlich nicht einfach war, da er wie vorhin erwähnt nicht sofort den Rhythmus finden konnte. Aber ich denke, dass wir beide morgen ein gutes Rennen haben sollten.

Die beiden Ferrari-Fahrer waren in bestimmten Einheiten die Schnellsten. Verspürst du von diesen zwei mehr Druck als vielleicht von anderen?

Nicht wirklich. Im Moment schaut jeder auf sich, im Qualifying weiss man, dass es sich um dich und dein Auto geht. Du kämpfst gegen die anderen, aber zunächst einmal versuchst du, deine Leistung zu maximieren. Das ist das Beste, was du sowieso machen kannst. Das morgen ist eine andere Angelegenheit, und es ist sehr wahrscheinlich, dass es regnet. Ich bin aus diesem Grund ganz glücklich, dass wir Regenreifen mitgebracht haben. Wir sind so gut vorbereitet wie möglich. Es ist immer ein sehr langes Rennen, in dem eine Menge passieren kann. Wir haben besonders in den vergangenen zwei Rennen gesehen, dass es sehr eng wird, etwas anderes können wir nicht erwarten. Wie ich schon sagte, heute können wir sehr glücklich sein, aber morgen ist ein neuer Tag und womöglich auch ein neues Abenteuer.

Die Frage lässt sich nicht vermeiden, dein Kollege hat heute Morgen die komplette Einheit wegen KERS auslassen müssen. Wie hat dein KERS an diesem Wochenende bisher funktioniert?

Gut, es gab bisher keine Probleme. Es ist schwierig, es von aussen zu verstehen, was uns und dem KERSs da passiert. Wir wissen es natürlich ein bisschen besser, wie ich schon sagte, es ist schade. Manchmal hat man kein Problem, und dann plötzlich geschieht etwas, so wie bei Mark heute Morgen. Er musste das komplette dritte Training sausen lassen. Wir werden sehen, aber bisher hatte ich an diesem Wochenende Glück. Das KERS hat funktioniert, hoffentlich wird das auch morgen so sein.

Wie hast du dich auf die Möglichkeit vorbereitet, dass es morgen regnet?


Wir haben ein paar Regenreifen mitgebracht und ich einen Regenmantel und einen Regenschirm. Um ehrlich zu sein, es gibt nicht viel mehr, was wir jetzt unternehmen können. Wir können die Autos nicht mehr anfassen. Wenn überhaupt, dann hätten wir unser Bett vor dem Qualifying machen müssen. Am Auto können wir jetzt nur noch kleine Dinge und die Reifen ändern. Und dann werden wir sehen, was passiert. Wir werden sehen, wie stark der Regen sein wird, wie lange er anhält. Und es wird auch vorhergesagt, dass es ziemlich windig sein wird, nicht sehr heiss. Aber hier macht für gewöhnlich entweder die Hitze oder der Wind den Kurs schnell trocken. Wenn man sich im Moment die Wettervorhersage anschaut, dann sagen sie alle etwas anderes. Ich denke aus diesem Grund, dass es das Beste ist, morgen früh aufzuwachen, nach draussen zu schauen und zu sehen, wo wir stehen.

Mark Webber hat bestätigt, dass er im Qualifying auch kein KERS hatte. Meine Frage an dich ist nun, ob du dich in einer üblen Situation befindest, solltest du morgen Probleme mit KERS bekommen? Glaubst du, dass du das Rennen ohne KERS gewinnen kannst?

Die Sache ist die, wenn ich ein Problem habe, dann habe ich keine Wahl. Ich kann nicht anhalten und sagen 'Okay, das Ding aufladen!' Oder was auch immer. Wie ich schon gesagt habe, hatte ich an diesem Wochenende bisher keine Probleme, und es sieht gut aus. Aber man weiss nie. Man kann auch diese zwei hier fragen, ob ihre Motoren morgen vielleicht platzen. Ich denke, dass die Wahrscheinlichkeit sehr gering ist, aber man weiss nie. Das Risiko, dass unser KERS nicht funktioniert, ist schon grösser, als dass der Ferrari-Motor platzt. Mark hatte ganz offensichtlich heute Nachmittag noch ein Problem. Ich denke, dass sie in der Lage sind, es heute Nacht zu beheben. Wir werden abwarten müssen. Zu diesem Zeitpunkt ist es noch zu früh, das zu sagen. Es würde hier ohne sehr schwierig sein. Der Effekt von KERS ist hier sehr gross, sowohl beim Attackieren als auch beim Verteidigen im Rennen. Ja, wir haben den Heckflügel, ich denke, dass dies einen grösseren Unterschied macht als KERS. Ich denke, das kann man anhand von anderen Rennen sehen. In Barcelona funktionierte es mal und mal nicht, ich fühlte mich weniger wohl, als es nicht funktionierte, also würde ich es liebend gerne haben.

Hast du erwartet, dass Ferrari so stark ist? Oder machst du dir über Hamilton und McLaren mehr Sorgen?

Ich denke, dass es nach dem gestrigen Tag ziemlich klar war, dass Ferrari hier sehr schnell ist. Aber das ist morgen ein langes Rennen. McLaren liegt direkt hinter uns, und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie vielleicht eine andere Idee hatten, als sie in das Qualifying gingen und sich auf das Wochenende vorbereiteten, wenn man sich ihre Geschwindigkeiten anschaut. Wir werden sehen, ob das für sie morgen funktioniert oder nicht. Was uns betrifft, wir wussten, dass es hier schwierig werden würde. Wir hatten heute einen sehr guten Tag, wir können also sehr glücklich sein. Aber die Hauptaufgabe folgt morgen, und es wird ein sehr schwieriges Rennen, was zur Tatsache hinzukommt, dass die Autos hier üblicherweise sehr eng beieinander liegen. Aufgrund von DRS wird es morgen sehr schwierig sein, davon zu fahren. Hinzu kommt, dass wir nicht wissen, was das Wetter macht. Es könnte für euch also sehr interessant zum Zuschauen sein. Wir werden auf jeden Fall alle Hände voll zu tun haben.

Gehen wir einmal davon aus, dass es trocken bleibt. Erwartest du dann ein Rennen wie im vergangenen Jahr, als ihr sogar härtere Reifen verwendet hattet?

Heute hat der Regen seine Richtung geändert und zog aussen vorbei. Es ist aus diesem Grund etwas unklar, ob es regnen wird. Wenn man nach oben blickt, sieht es nicht wirklich nach einem sonnigen Tag aus, es wird also Regen geben. Die Frage ist nur, wie viel und wann. Mit Sicherheit wird es morgen früh etwas Regen geben. Das kann sich hier aber schnell ändern, das wurde mir zumindest gesagt. Wir müssen also meiner Meinung nach abwarten und schauen. Nichtsdestotrotz werden wir ein sehr aufregendes Rennen sehen, wie das hier üblich ist, mit verschiedenen Strategien. Die Reifen werden einen Schlüsselfaktor darstellen, ähnlich wie auf anderen Strecken. Aber womöglich aufgrund der Bedingungen etwas deutlicher, der Asphalt ist hier anders. Wir hatten hier vergangenes Jahr etwas zu kämpfen, ich gehe aus diesem Grund davon aus, dass es nicht viel besser sein wird als im vergangenen Jahr. Wir werden aus diesem Grund ein aufregendes Rennen haben. Mit Sicherheit ist die Startposition wichtig. Aber es ist ein langes Rennen und es wird viel wichtiger sein, wo man ins Ziel kommt.

Du hast dich über Funk erneut für den Unfall am Freitag entschuldigt. Wie sehr hast du dir selbst dafür die Schuld gegeben und warum?


Um ehrlich zu sein, wir sind hier, um das Auto am Limit zu fahren, und Fehler können passieren. Mit Sicherheit ist es besser, wenn dies am Freitag als am Samstag oder Sonntag passiert. Es fühlt sich nicht schön an, wenn man ohne sein Auto in die Garage zurückkommt. Ich habe gesehen, dass sie sehr hart gearbeitet haben, sie hatten kein Mittagessen, nur damit ich wieder auf die Strecke gehen kann. Wenn man Tage wie den heutigen sieht, oder die Rennen, die wir hatten, dann wissen wir alle, was unser Ziel ist, und wofür wir hier sind. Aber mit Sicherheit ist es nicht immer einfach. Natürlich tut es mir für sie leid, denn ich kehre einfach in meinem Raum zurück, es gibt nicht viel, wie ich ihnen körperlich helfen kann. Der einzige Weg, danke zu sagen, ist sicherzustellen, dass ich das Auto das nächste Mal so schnell wie möglich fahre und es in eine gute Position bringen kann.

Wie positiv ist es denn, dass die nächsten Verfolger einen roten Overall tragen?


Naja, beim McLaren-Overall ist auch etwas Rot drin, bei uns auch. Ich glaube, das wird morgen ein sehr, sehr enges Rennen. Wir haben vergangenes Jahr hier gesehen, dass die Strategie sehr entscheidend ist. Ich denke, dass mit den Reifen hier umso mehr passieren kann. Es wird auch ohne Regen sehr viel passieren. Wenn der Regen kommt, dann wird es für alle schwieriger. Im Regen ist das wir nicht die einfachste Strecke. Die Mauern sind sehr nah. Es kann sehr rutschig werden und es ist ein langes Rennen. Das Wichtigste morgen ist es, die Zielflagge zu sehen.

Welche Erinnerungen hast du hier an dein erstes Rennen?

An das Jahr 2007 habe ich keine guten Erinnerungen. Da stand ich noch neben der Strecke und saß nicht im Auto, und es war das Jahr, als Robert seinen grauenvollen Unfall hatte. Das kommt einem natürlich immer wieder in den Sinn, wenn man hier herkommt. Aber das Jahr später hat er gewonnen, das war gerade hier das richtige Zeichen. Das Jahr später sass ich im Auto. Aber ich hatte nicht den besten Samstag, setzte das Auto in die Mauer. Ich konnte da nicht am Qualifying teilnehmen. Im Rennen haben wir es dann geschafft, noch mit einem Punkt belohnt zu werden. Bis jetzt habe ich aber mehrheitlich gute Erinnerungen.

Die Konkurrenz hatte sich die Hoffnung gemacht, dass es für Euch hier nicht ganz so gut läuft, schließlich liegt euch die Strecke nicht so besonders, wie schon im vergangenen Jahr?

Im vergangenen Jahr waren wir eigentlich auch ganz gut unterwegs, nur hatte es mit der Strategie nicht ganz so gut gepasst. Auch in diesem Jahr können wir mit der Konkurrenz mithalten. Das macht uns im Hinblick auf morgen zuversichtlich.

Macht dich dein Vorsprung in der WM-Wertung eigentlich gelassener, oder versuchst du im Auto immer so aggressiv zu Werke zu gehen?


Ich glaube, dass man nicht gelassener werden sollte. Man sollte immer noch den Hunger haben. Und den haben wir. Ich schaue mir im Moment die Punkte gar nicht an. Ich glaube, es ist gut zu wissen, dass wir ganz gut dabei sind. Wenn man zu gelassen an die Sache ran geht, dann schafft man es vielleicht nicht, alles aus sich herauszuholen. Im Moment ist es eine schwierigere Lage, schwieriger, als wenn man etwas Rückstand hat und aufholen muss. Man muss sich nämlich immer daran erinnern, dass es kein Zuckerschlecken ist, dass es um die Wurst geht.

Aber was ist für dich in dieser Situation als Sportler schwieriger?


In gewisser Weise ist es natürlich komfortabler, wenn man vorne liegt und ein Polster hat. Aber die Saison ist noch sehr lang und es kann noch viel passieren. Aber ich glaube, dass es nach hinten losgehen kann, wenn man sich zu sicher fühlt. Deswegen führen wir uns das immer wieder vor Augen. Wenn man sich die vergangene Saison anschaut, dann sieht man, wie schnell sich die Dinge ändern können.

12.6.2011