Kanada: Nick Heidfeld hat noch eine Rechnung offen

Petrow:

«Physisch geht es mir gut, ich habe keine Probleme.»

Jetzt erst recht, lautet das Motto von Renault in Kanada. Schliesslich konnte man in Monaco der Geheimfavoriten-Rolle nicht ganz gerecht werden - Nick Heidfeld wurde nach Startplatz 15 Achter, Witali Petrow crashte in der Endphase heftig. Doch auch in Kanada zählt Renault zu den heissen Tipps: Der R31 verfügt über eine hervorragende Höchstgeschwindigkeit und eine gute Traktion aus langsamen Kurven, was perfekt zum Circuit Gilles Villeneuve passt.

Zudem hat Heidfeld mit dem Kurs auf der Ile de Notre Dame noch eine Rechnung offen: Hätte er nicht 2008 seinen Teamkollegen Robert Kubica vorbeilassen müssen, würde er heute vermutlich zum Kreis der Grand-Prix-Sieger zählen. Doch das liegt lange zurück. Zunächst musste Renault die Enttäuschung von Monaco verdauen. Das scheint gelungen, denn der Mönchengladbacher zieht einige positive Schlüsse: "Wir hatten zwar deutlich mehr erwartet, lernten aber an diesem Wochenende sehr viel über das Auto. Ich bin sicher, dass wir dieses Wissen nach Kanada und zu den Rennen danach mitnehmen können, um unsere Performance auf ein höheres Niveau zu bringen."

Fortschritte im Qualifying notwendig

Damit dies tatsächlich gelingt, muss das Team im Qualifying Fortschritte machen. Das weiss Heidfeld: "Das ist eigentlich der Bereich, auf den ich mich mit dem Team am meisten konzentriere - mit dem Ziel, unsere Potenzial in diesem Bereich zu maximieren. Meine Rennperformances könnten nicht viel besser sein - das hat uns wirklich geholfen, die Punkte, die wir bereits auf dem Konto haben, zu holen. Dennoch kann man vor allem in Monaco nicht vom Renntempo profitieren, wenn das Qualifying auf keinem guten Niveau ist. Wir wissen, dass das Qualifying auf allen Formel-1-Kursen sehr wichtig ist."

Auch wenn es sich beim Kurs in Montreal ähnlich wie in Monaco um eine Art Stadtkurs handelt, gibt es grosse Unterschiede zwischen den zwei Strecken. "Nun, Kanada ist nicht so einzigartig wie Monaco, aber es sticht trotzdem durch seinen eigenen Charakter heraus. Es gibt langsame Schikanen und schnelle Geraden, daher wird das Fahren ganz anders als beim letzten Rennen. Wir haben tendenziell eine gute Höchstgeschwindigkeit, was uns helfen sollte."

Ein Sieg ausgerechnet in Montreal wäre für den Mönchengladbacher freilich etwas ganz besonderes, zumal er schon einmal knapp dran war. "Ich freue mich auf jedes Rennen, aber Montreal ist für mich ganz speziell, da ich schon einmal Zweiter wurde", gibt er selbst zu. "Das Rennen selbst ist einzigartig. Montreal ist eine grosse Stadt und wahrscheinlich der einzige Austragungsort der Formel 1, wo die Stadt den Sport eine Woche lang atmet. Überall gibt es Ansichtskarten und Souvenirs und die Unterstützung ist wirklich fantastisch. Man kommt nicht aller Tage an einen Austragungsort, wo die gesamte Stadt wie Montreal hinter dem Rennen steht."

Heidfeld will Alonso in der WM attackieren

Derzeit liegt Heidfeld auf dem guten sechsten Platz in der Fahrer-WM - eine Platzierung, mit der er gut leben kann. "Das habe ich vor zwei Rennen anvisiert, daher ist es schön, dieses kurzfristige Ziel erreicht zu haben. Jetzt liege ich vor Nico und Felipe, was mich dazu motiviert, mich weiterhin anzustrengen, um gut abzuschneiden und Punkte zu holen, damit ich vorne bleiben kann."

Mit Platz sechs will er sich aber noch lange nicht zufrieden geben, auch wenn es keine leichte Aufgabe ist, weiter Boden gutzumachen: "Ich liege immer noch recht weit hinter Fernando, der Fünfter ist, doch die Saison ist lang und mein Ziel ist es, weiter nach vorne zu kommen. Es ist aber sogar noch wichtiger, dass wir das Auto immer besser verstehen und es weiterentwickeln, damit sich unsere Performance als Team verbessert. Wenn das gelingt, dann wird es immer leichter, viele Punkte zu holen."

Petrow für Kanada fit

Das will auch Heidfelds Teamkollege Petrow, der in Monaco ein Renn-Wochenende mit Höhen und Tiefen erlebte. Bis zu seinem schweren Crash, der für die Rennunterbrechung sorgte, lag der Russe gut im Rennen. "Es lief bis dahin sogar fantastisch", so der Renault-Pilot, "wenn man unsere Qualifying-Positionen in Betracht zieht. Wir hätten Dritter oder Vierter werden können, glaube ich. Platz drei wäre schon eine Überraschung gewesen, aber Platz vier war nicht unmöglich, denn mein Tempo war gut und es gelang mir, die Reifen zu schonen."

Schliesslich löste aber das Überholmanöver von Pastor Maldonado an Adrian Sutil eine Kettenreaktion aus, der Petrow zum Opfer fiel: "Pastor und Adrian waren langsam und es war sehr schwierig, sie zu überholen. Alles andere an diesem Tag lief nach Plan, daher ist es schade, dass wir beim Endergebnis nicht erfolgreicher waren."

Nach dem Unfall war Petrow, der von einem Rad am Kopf getroffen wurde, benommen und musste aus dem Renault-Wrack befreit werden. Der Russe klagte über Schmerzen an den Beinen, der Zwischenfall bliebt aber ohne Folgen: "Physisch geht es mir gut, ich habe keine Probleme. Ich fühle mich besser, als nach dem Rennen in Monaco. Mein Knöchel ist in Ordnung und ich rechne beim Rennen in Kanada nicht mit Problemen."

Reifen sorgen für Spannung

Auf dem Circuit Gilles Villeneuve hat Petrow kaum Erfahrung, schließlich fährt die GP2-Serie in Kanada nicht im Rahmenprogramm. "Vergangenes Jahr fuhr ich zum ersten Mal auf dieser Strecke, ich kenne den Kurs also nicht sehr gut. Das Rennen ist nicht einfach, denn der Asphalt ist sehr ungewöhnlich und die Bridgestone-Reifen bauten stark ab. Wir hoffen, dass das mit Pirelli eine andere Geschichte sein wird, aber wir werden sehen, denn bisher waren die Reifen bei jedem Saisonrennen ein heißes Thema."

Auch Petrow hofft in Montreal auf den geringen Luft-Widerstand des Renault-Boliden, der ihm zu guten Topspeed-Werten verhelfen sollte: "Die Strecke besitzt lange Geraden, die uns die Chance geben werden, unsere gute Höchstgeschwindigkeit zu zeigen, aber es gibt auch langsame Kurven. Daher wird es wichtig sein, richtig zu bremsen, um die Reifen zu konservieren - Montreal ist ein wahrer Balanceakt." Wie sich die Reifen in Kanada aber wirklich verhalten werden, kann derzeit niemand abschätzen. "In Monaco dachten wir nicht, dass wir das Rennen mit einem Stopp bestreiten könnten, aber am Ende ist es gelungen", verweist er darauf, dass man die Situation auch im Fürstentum falsch eingeschätzt hatte. "Die Reifen sind mit Sicherheit diese Saison ein Gesprächsthema. Wir haben in den vergangenen Monaten auf den unterschiedlichen Kursen die Erfahrung gemacht, dass der Reifen stark abbaut. Das hat den Sport für die Zuschauer aber zweifellos attraktiver gemacht."

8.6.2011