History: Graf Berghe von Trips

Der fliegende Ferrari von Graf Trips

reisst 15 Zuschauer mit in den Tod

Gleich muss er durch die Tür kommen, ganz sicher. Auf dem Schreibtisch seine Pfeife, ein Tintenfass, ein geöffneter Terminkalender, ein altes schwarzes Telefon mit Wählscheibe, es riecht nach Leder, ein bisschen nach Motoröl. In der Ecke ein altes Radio, davor ein altmodisches Tonbandgerät, ein paar Schallplatten. Eine friedliche, leicht angestaubte Atmosphäre, die von einer längst vergangenen Zeit erzählt.

Einer Zeit, die nicht wiederkommt, genauso wenig wie der Mann, der einst jenes detailgetreu nachgestellte Arbeitszimmer bewohnte. Wolfgang Graf Berghe von Trips, Adelsspross, Landwirt, Frauenschwarm und Formel-1-Fahrer, flog am 10. September 1961 auf dem Weg zum WM-Titel im Königlichen Park von Monza kurz vor der berüchtigten Parabolica-Kurve in den Tod. 50 Jahre später erinnert die Ausstellung "Ritter, Reiter, Rennfahrer" in der Villa Trips direkt neben dem Familienstammsitz Burg Hemmersbach in Kerpen-Horrem an den Grafen, dessen tobender Ferrari an jenem schicksalhaften Tag in Monza 15 Menschen mit in den Tod reisst. Trips ist im Anflug zur Parabolica vom Gas gegangen, der seitlich hinter ihm fahrende Jim Clark kann nicht mehr reagieren, der rechte Vorderreifen des Lotus touchiert den linken Hinterreifen von Trips' Auto. Der schreckliche Unfall führte übrigens in der Schweiz zum generellen Verbot von Formel1-Rennen.

Wie ein Jet hebt der Ferrari mit der Startnummer vier nach links ab, schleudert die Böschung hinauf, erfasst die Menschen hinter dem Zaun, überschlägt sich mehrfach und kracht zurück auf den Asphalt. Zerstörerische Kräfte reißen Trips aus dem Cockpit - eine leblose Puppe, die mit zerschmettertem Genick irgendwo in dem Inferno liegenbleibt. Wolfgang Alexander Reichsgraf Berghe von Trips ist längst tot, als die Retter eintreffen. Er stirbt auf den Tag genau fünf Jahre, nachdem ihn der legendäre Enzo Ferrari zur Scuderia geholt hatte.

Im Mai 1957 war die Szene erstmals so richtig auf den jungen Deutschen aufmerksam geworden. Bei der legendären Mille Miglia hatte Trips kurz vor dem Ziel nur noch den Italiener Piero Taruffi vor sich, der sein Auto nach einem Getriebeschaden mehr schlecht als recht manövrierte. Der Graf hatte bereits zum Überholvorgang angesetzt, als er plötzlich abbrach und Taruffi ziehen liess. Er habe an das Versprechen denken müssen, das Taruffi seiner schwangeren Frau gegeben hatte: Sein letztes Rennen sollte es sein, der finale Versuch, die Mille Miglia endlich, endlich zu gewinnen. "Ich wollte ihm das nicht nehmen", sagte Trips lapidar. Es war bezeichnend für seinen Charakter, für sein Wesen, das ihn zu einem Liebling des Volkes und zu einem allseits geachteten und respektierten Konkurrenten machte. Trips war offen, freundlich, stets ritterlich fair, ein Gentleman nicht nur im Cockpit. Aber er war auch ein Haudrauf, ein Rennfahrer durch und durch, der zwar schon mal die Gegner, aber nicht das Auto und sich selbst schonte.

"Count Crash" nannten sie ihn deshalb, Enzo Ferrari zog ihn ein paar Monate aus dem Verkehr, und Gräfin Tessa von Trips bat ihren Sohn in einem offenen Brief in der 'Welt am Sonntag', doch endlich mit diesem unsinnigen Rennsport aufzuhören. Aber Trips war viel mehr als nur ein begnadeter Rennfahrer. Er wollte den Nachwuchs ins Auto locken, brachte deshalb Mitte der 1950er Jahre ein Kart aus den USA mit nach Deutschland.

In Horrem, dicht neben Burg Hemmersbach, finanzierten Trips und einige seiner Freunde von der Scuderia Colonia den Bau einer Kartbahn. Es war die, auf der Jahrzehnte später ein gewisser Rolf Schumacher als Bahnwart arbeitete und nebenbei seinen Söhnen Michael und Ralf das Rennfahren beibrachte. Erst 1980, als das Areal aus allen Nähten platzte, zog die legendäre Kartbahn nach Kerpen-Manheim um. Als Wolfgang von Trips am 14. September 1961 in der Familiengruft auf Burg Hemmersbach beigesetzt wird, platzt Kerpen aus allen Nähten. Trauergäste aus aller Welt sind in die kleine Gemeinde vor den Toren von Köln gekommen, um Abschied von einem charismatischen Sportler zu nehmen, der die Herzen vieler Menschen berührt hat. "Not goodbye, just goodnight - Francesca" heisst es in einer der vielen Todesanzeigen, die in den Zeitungen weltweit erscheinen.

Im Dezember 1961 nehmen die tiefgebeugten Eltern Eduard und Tessa von Trips für ihren Sohn die Auszeichnung als Sportler des Jahres entgegen. Die Trophäe ist eines von unzähligen Exponaten in der Ausstellung, die am Samstag, genau 50 Jahre nach der Tragödie, in der Ville Trips eröffnet wird. "In Morte Vita" steht unter dem Wappen der Grafen Berghe von Trips. Im Tod ist das Leben.